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Die Trotta ist wieder da : Deutschlands, vielleicht Europas hervorragendste Nachkriegs-Regisseurin dreht seit über 20 Jahren Geschichten von Frauen und Geschichten ihrer Länder ; ab 15. November läuft in der ARD ihr Vierteiler "Jahrestage"

Verfasst von: Schwarzer, Alice info
in: EMMA
2000 , Heft: 6 , 20-21 S.

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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:2000-6-a
Formatangabe: Porträt
Link: Volltext
Verfasst von: Schwarzer, Alice info
In: EMMA
Jahr: 2000
Heft: 6
Beschreibung: Ill.
ISSN: 0721-9741
List of content:
  • "Die bleierne Zeit" [Filmtitel]; "Schwestern oder die Balance des Glücks" [Filmtitel]
  • Sprache: Nicht einzuordnen
    Beschreibung:
    Da sitzt sie, lächelt und sagt ganz ruhig: "Ich interessiere mich einfach mehr für Frauen." Und diesen Satz sagt sie nicht etwa in den 70er oder 80er Jahren, als es Mode war, sowas zu sagen. Sie sagt ihn im Jahr 2000 zu der Interviewerin. Margaredie von Trotta, zweimal verheiratet, vielfach verbandelt und Mutter eines inzwischen erwachsenen Sohnes, ist sich selbst und den anderen Frauen treu geblieben. Auch in ihrem nächsten Film, der ab Mitte November im l. Programm laufenden vierteiligen Verfilung von "Jahrestage", steht eine Frau im Mittelpunkt: Gesine Cresspal, die von New York aus zurück in ihre so deutsche Geschichte blickt. Allerdings: Diesmal ist die Vorlage nicht das eigene Leben und Drehbuch der Auto-rinnenfilmerin Trotta, diesmal ist es der Roman eines Mannes, des melancholischen Geschichtenerzählers Uwe Johnson.

    Wäre Margarethe von Trotta, die Vielgeehrte, ein Mann, sie hätte vermutlich kaum Zeit für Fernesehproduktionen und könnte unter hochkarätigen europäischen Filmangeboten wählen. Doch sie ist eine Frau und hat nie aufhören können zu kämpfen.

    1942 wurde Margarethe als uneheliches Kind einer vor den Bolschewiken geflüchteten russischen Adeligen in Berlin geboren. Ihr Vater war ein deutscher Maler und starb früh. Ihre Mutter schlug sich mit Bürojobs durch. Die Armut war so groß, dass das Kind manchmal um Essen betteln gehen musste. Dennoch war die Mutter ein "heiterer Mensch" und stolz auf die Tochter: "Sie traute mir einfach alles zu und ließ mich gewähren".

    Heraus kam dabei zunächst einmal der typische Lebenslauf eines aufmüpfigen Mädchen aus jener Zeit: diverse Schulen und Jobs, Sprachen und Putzen in Paris, Entdecken großer Filme in der Cinemateque, Schauspielschule in München, Ehe, Mutterschaft und Hausfrauendasein. "Wir galten als aufmüpfig und ein wenig verrückt, bis die Frauenbewegung kam." 1969 der Ausbruch. Ihr Kind muss sie beim Mann zurücklassen.

    Es folgt eine kreative Zusammenarbeit mit Volker Schlön-dorff. In allen seinen bedeutenden Filmen der 70er Jahre spielt sie nicht nur als Schauspielerin, sondern schreibt oft auch das Drehbuch und führt Co-Regie. 1977 dann der erste eigene Film: "Das zweite Erwachen der Christa Klages". Dem folgt, 1981, ihr international berühmtester Film: "Die bleierne Zeit". Die Geschichte der Ensslin-Schwestern, ihre Nachkriegs-Kind-heit in dem pietistischen Pfarrhaus und das Abdriften der einen, Gudrun, in die terroristische "Stadtguerilla" der RAF. Subtil und eindrücklich verbindet Trotta in diesem Film das "Private" mit dem "Politischen", die sexuelle Gewalt mit der patriarcha-len Gewalt der 70er auf beiden Seiten: die der Helden des Untergrunds wie den Staatsmännern an der Spitze.

    Trotz ihrer Erfolge und Preise muss die Regisseurin sich das Geld für jeden einzelnen Film immer wieder mühsam erkämpfen. Die Tatsache, dass ihre Filme Verstand und Gefühl haben, Geschichte erzählen und die Menschen interessieren, machen Trotta bei der elitistischen Kritik und den Autoren-filmern der 70er und 80er keineswegs beliebter.

    Nicht zufällig geht Trotta irgendwann nach Rom und später nach Paris, wo sie bis heute lebt. In beiden Ländern wird sie um so vieles mehr geachtet und geschätzt als in ihrer Heimat. Dennoch bleibt sie dem Thema Heimat treu. Die in Deutschland aufgewachsene und in Frankreich gemeldete, staatenlose Halbrussin macht 1994 einen Spielfilm über die deutsch/deutsche Sehnsucht - und floppt ein Jahr später damit, als niemand mehr das Thema sehen und hören will.

    Ab 1997 macht Trotta Fernsehen. Als Erstes dreht sie "Winterkind" für den WDR. Eine Geschichte, die viel mit ihr und ihrer Mutter zu tun hat: Eine junge Russin, die in ihrer Heimat unschuldig inhaftiert wurde, ist auf der Suche nach ihrem Sohn Boris, der von einem deutschen Ehepaar adoptiert worden sein soll. In Köln begegnet sie sowohl dem Sohn als auch dem Vater wieder, bei dem er jetzt lebt.

    1979 hatte Trotta "Schwestern oder die Balance des Glücks" gedreht. Ein Film, in dem es, wie so oft in ihren Filmen, um die weibliche Identität von und die Beziehung zwischen Frauen geht. Und: Um das immer wieder auftauchende Motiv der Schwester. Ihre Film-Schwestern heißen Anna und Maria.

    Die geliebte Mutter stirbt kurz nach Beendigung des Films, und die Tochter redet in einem Interview über sie. Wenig später bekommt sie einen Brief aus Russland: Von ihrer Schwester. Die Mutter hatte das bittere Geheimnis mit ins Grab genommen: Margarethe von Trotta hat eine (Halb)Schwester, die die Mutter in Russland zurücklassen musste. Die realen Trotta-Schwestern haben die Zweitnamen Anna und Maria... In ihrer engen, symbiotischen Beziehung zur Mutter hatte die Tochter das Geheimnis gespürt und die Last mit- und ausgetragen.

    Frauen verstehen, ihnen ihre Bürde abnehmen, sie darstellen - das scheint Margarethe von Trottas Bestimmung zu bleiben.
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