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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1992-4-a
Formatangabe: Interview
Link: Volltext
Verfasst von: Ott, Ursula
In: EMMA
Jahr: 1992
Heft: 4
ISSN: 0721-9741
List of content:
  • "Bild" [Presse]; CDU (Christlich Demokratische Union Deutschlands);
  • Sprache: Nicht einzuordnen
    Beschreibung:
    •|Vas hat Angela Merkel falsch gemacht? 3)ie Frauenministerin, bislang des Kanzlers liebstes Kind, ist zum Stein des Anstoßes geworden. "Bild am Sonntag" (siehe Foto) höhnte gar: "Würden Sie diese Frau einstellen?" Grund: Der Entwurf für ein"Gleichberechtigungsgesetz" aus dem Hause Merkel. Strittigster Punkt in diesem Gesetz ist die "Beweislastumkehr". Auch Merkel will, daß eine abgelehnte Bewerberin nicht länger beweisen muß, daß sie diskriminiert wurde — sondern daß der Arbeitgeber beweisen muß, daß er nicht diskriminiert. Unternehmerverbände, FDP und viele CDU-Männer schäumen. Bleibt die Ministerin standhaft? Emma-Redakteurin Ursula Ott stellte ihr ein paar Fragen.

    Emma: Frau Ministerin, Sie haben einen Entwurf für ein Gleichberechtigungs-Ge-setz vorgelegt. Worauf kommt es Ihnen bei diesem Gesetz besonders an? Ministerin Merkel: Das ist das erste Gesetz, das die Stellung der Frauen im öffentlichen Dienst verbessern und sie auch vor sexueller Belästigung im Beruf schützen will! Auch den Frauenbeauftragten, die ja im öffentlichen Dienst sind, soll mit diesem Gesetz der Rücken gestärkt werden.

    Emma: Was passiert denn einem Mann, der Kolleginnen belästigt? Ministerin Merkel: Das Wichtigste ist doch, daß die Frauen mit dem Problem ernstgenommen werden und es auch in den Personalabteilungen zur Sprache kommt. Wir denken durchaus auch an Sanktionen...

    Emma: ...an welche denn? Ministerin Merkel: Es werden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet gegen denjenigen, der belästigt, also: Versetzung, Abmahnung — bis hin zur Kündigung. Und dann gibt es ja auch noch das Strafrecht. Emma: Gab es auch früher in der DDR se-i

    xueJIe Belästigung am Arbeitsplatz?l Ministerin Merkel: Klar, das waren ja dieselben Menschen. Allerdings konnten

    sich die Frauen in der Ex-DDR manchmal'

    besser wehren, weil sie besser ausgebil-l

    det waren und bessere Stellen hatten.: Emma: Ihr Gesetz sieht auch eine Art

    Quotierungvor, aber leider nicht fiftyfifty.i

    Sie nennen das "flexible Zielvorgaben",i

    Was heißt das?l

    Ministerin Merkel: Also, wir können jai

    nicht zum Beispiel 50 Prozent Staatsse-i

    kretäre verlangen, wenn wir heute nur:

    zwei Abteilungsleiterinnen haben.j

    Emma: Aber nehmen Sie mal die Schu-!

    len: Jeder zweite Lehrer ist eine Frau —1

    aber nicht einmal jeder fünfte Schulleiter!l

    Da sitzen doch genug Frauen in den Start-;

    löchern.i

    Ministerin Merkel: Wenn die Frauenquo-i

    te innerlich nicht gewünscht wird von\

    den Männern, dann werden die immerei-;

    nen Grund finden, quer zu schießen.!

    Emma: In Ihrem Entwurf spielt die söge-i

    nannte "Vereinbarkeit von Familie und!

    Beruf" eine zentrale Rolle. Wie war'sl

    denn mal mit der Vereinbarkeit für Väter?<

    Ministerin Merkel: Bei Umfragen in deni

    alten Bundesländern sagen 70 Prozent<

    der Frauen, wir wollen Teilzeitarbeit —i

    und nur 30 Prozent der Männer. Ich mei-l

    ne, wir dürfen Politik nicht an den Wün-<

    sehen der Menschen vorbei machen,j

    Frauen scheinen heute eher als Männerj

    zu akzeptieren, daß sie doppelt und drei-<

    fach belastet sind.l

    Emma: Gezwungenermaßen. Denn siei

    haben heute in Deutschland schließlichi

    noch nicht mal einen Krippen- oder Kin-l

    dergartenplatz und keine ausreichendenl

    Angebote für Ganztagsschulen.i

    Ministerin Merkel: Mir wäre es lieb,i

    wenn zumindest für jede Frau, die berufs-i

    tätig sein will, ein Kindergartenplatz dal

    ist.l

    Emma: Das ist aber nett. Was sagen Ihre'

    CDU-Männer dazu?l Ministerin Merkel: Die Chancen sind besser als je zuvor. Ich werde auf jeden Fall dafür kämpfen.

    Emma: Sie stoßen mit ihrem Gesetzes-Vorschlag bei der Regierungskoalition keinesfalls nur auf Begeisterung. Wirtschaftssprecher Wolfgang Weng von der FDP befürchtet sogar, daß sich "eine Frau nur noch bewirbt, um mit dem Schadenersatz (für ihre Ablehnung) den Urlaub zu bezahlen".

    Ministerin Merkel: Von Seiten der Männer wird oft versucht, mit dem absurdesten Beispiel eine Sache zu Fall zu bringen. Man nimmt ja auch nicht bei jedem Steuergesetz den schlimmsten Betrügerfall an...

    Emma: Mit Ihrem Frauen-Gesetz sind Sie anscheinend zu weit gegangen, Frau Ministerin. Bisher wurden Sie nur von der Oppositionspresse tüchtig gezaust. Jetzt geht Ihnen auch die CDU-nahe Presse ans Fell. So veröffentlichte "Bild am Sonntag" zum Beispiel ein nicht sehr nettes Foto von Ihnen und höhnte: "Würden Sie diese Frau einstellen?" Ministerin Merkel: Frechheit! Also... hier wird mit Chauvinismus, oder — wie sagt man? — Machismus auf billigste Art versucht, meine Person madig zu machen, um der Sache zu schaden. Emma: Bisher waren Sie Kohls Musterschülerin. Der Ton gegen Sie hat sich aber jetzt spürbar verschärft. Ministerin Merkel: Das ist schon fast wieder eine Ehre. Wenn Sonntagsreden gefragt sind, sind wir Frauen recht. Aber wenn's um unsere Rechte geht, schlägt die Stimmung um. Eine interessante Erfahrungfür mich... Emma: Stecken Sie jetzt zurück? Ministerin Merkel: Nein, ich nehme nichts zurück! Aber ich wünsche mir mehr Sachlichkeit. Auch beim Thema Frauenförderung.

    Emma: Das wünschen wir Ihnen auch. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Ministerin.
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