Archivgut Nachlass

Josefine S. NL 104

1904 bis Jänner 1974

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: 1904 bis Jänner 1974
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Innergrub in Oberösterreich, verschiedene Orte in der Steiermark, Wien; verschiedene Orte in der Schweiz</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Jugendtagebücher, Frauentagebücher, während dem 1. Weltkrieg geführtes Tagebuch): 23 Bände (darin ca. 960 Seiten autobiografische Aufzeichnungen); Aufzeichnungen in Buchform: 1 Kalender, 4 Gedichtsammlungen; ca. 100 amtliche Dokumente sowie Dokumente zur Schul- und Berufslaufbahn; ca. 50 Fotografien; literarischer Nachlass; 2 Bücher</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin: Josefine S.; geb. 1889 in Wien, Todesdaten unbekannt

Übergeberin: Steyrler-Missions-Archiv, 2008



Der Tagebuchbestand der Wiener Volksschullehrerin Josefine (genannt u.a. Pepperl) S. umfasst 23 Bände, die sie zwischen 1904 (ohne Monat) und September 1924 geführt hat, wobei drei weitere Bände (in der Chronologie Band 7, 9 und 13) fehlen. Josefine S. wurde 1889 als mittlere von drei Töchtern von Marie (genannt Melanie) S. (1864-1921) und Josef S. (geb. 1858) in Wien geboren. Die Mutter war im „Christlichen Wiener Frauenbund“ aktiv, der Vater hat als Volksschullehrer pädagogische Schriften publiziert und war auch literarisch tätig. Seine berufliche Laufbahn ist durch eine Sammlung von ca. 100 amtlichen Dokumenten belegt. Als er zum Direktor einer Volksschule in Wien Favoriten befördert wurde, wo die Familie auch eine Wohnung bezog, gab Melanie S. ihre Position in der Frauenbewegung auf.

Josefine S. musste nach Austritt aus der Bürgerschule längere Zeit auf ihre Zulassung in einer Lehrerinnenbildungsanstalt warten. In dieser Zeit schrieb sie die ersten fünf Bände ihrer als „Tagebücher“ gekennzeichneten Aufzeichnungen. Dabei handelt es sich um retrospektive geschriebene, nach thematischen Kapiteln gegliederte und nicht datierte autobiografische Erinnerungen an ihr bisheriges Leben, die mehrere hundert Seiten umfassen, an denen die zu Beginn 15-Jährige über ein Jahr gearbeitet hat. Ihren ersten tatsächlich diaristischen Eintrag verfasste sie im Juli 1905 anlässlich eines Todesfalls im nachbarschaftlichen Umfeld. Die Einträge sind durchgehend in sehr gleichmäßiger Schrift verfasst. Die Texte sind anfänglich regelmäßig durch (zum Inhalt passende) Klebebilder, Illustrationen aus Zeitschriften und Andachtsbilden geschmückt, später sind zahlreiche (immer auch beschriftete) Fotografien eingeklebt. Die meisten dieser Bilder wurden von Josefine Stegbauers Vater aufgenommen und sind damit auch Zeugnisse der frühen Privatfotografie. Alle Tagebücher sind mit verschiedenem Schmuckpapier eingebunden und tragen jeweils ein Etikett mit der fortlaufenden Nummer des Bandes und dem darin behandelten Zeitraum, alle beinhalten auch einzelne Einlagen, v.a. Andachtsbildchen und Postkarten.

Josefine S. beschrieb in äußerst detaillierten und umfangreichen Schilderungen ihre verschiedenen persönlichen Umfelder. Neben den Eltern und den beiden Schwestern Grete Dörler (geb. S.) und Ella S. waren das in den ersten Jahren v.a. die Mitschülerinnen und Lehrpersonen der Lehrerinnenbildungsanstalt der Ursulinen in der Wiener Innenstadt, die sie ab Februar 1906 besuchte. Die Sommermonate verbrachte Josefine S. gemeinsam mit ihrer Familie wiederkehrend in Innergrub im Bezirk Gmunden in Oberösterreich. Als Jugendliche formulierte sie mehrfach den Wunsch, „Dichterin“ zu werden, ab Herbst 1910 war sie als Lehrerin in verschiedenen Wiener Volksschulen tätig. Im Sommer 1918 begleitete sie den Aufenthalt einer Gruppe Wiener Schulkinder in der Schweiz im Zuge einer Kriegshilfsaktion.

Die Tagebucheinträge sind oft in sarkastischem Ton gehalten, häufig verwendete Josefine S. das Stilmittel der direkten Rede oder stellte intellektuelle, religiöse und moralische Überlegungen an. Seit ihrem Eintritt in die klösterliche Lehrerinnenbildungsanstalt beschäftigte sie sich mit Kirchenfragen, im Oktober 1912 wurde sie als Aspirantin in eine Marianische Kongregation aufgenommen, zwei Jahre später als Mitglied. Ihr Vorhaben, als Nonne in den Ursulinen-Orden einzutreten, scheiterte an ihrem fehlenden finanziellen Hintergrund und auch ihrer gesundheitlichen Konstitution. Im September 1924 brechen die Einträge abrupt ab.

Das im letzten Band eingelegte Erinnerungsbildchen an einen Priester der Missionsgesellschaft des Göttlichen Wortes aus 1953 bezeugt einerseits Josefine Stegbauers längerfristige Verbundenheit mit der der Institution Kirche. Wie auch die Ausbesserungen von Schreibfehlern im Text mit Kugelschreiber in ihrer eigenen Handschrift ist diese Einlage andererseits als Hinweis auf eine spätere Beschäftigung mit ihren Tagebuchaufzeichnungen zu sehen.

Aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg liegt weiters ein in vier Sprachen ausgestellter Identitätsausweis von Josefine S. vor, aus 1972 ein Schreibkalender mit v.a. stenografischen Einträgen, in dem ein Brief einer Schülerin von Jänner 1974 an die „Sehr geehrte Frau Direktorin“ eingelegt ist.

Ihre literarische Produktion hat Josefine S. in einem handschriftlichen Katalog inventarisiert. Zahlreiche der von ihr verfassten Texte und Theaterstücke für Kinder sind in 18 vorgeordneten Mappen, einem gebundenen Typoskript und einer losen Sammlung erhalten. Daneben hat Josefine S. in drei Schulheften und einem gebundenen Kalender verschiedene Gedichte und Lebensweisheiten (v.a. Zeitungsauschnitte) gesammelt. Aus dem literarischen Nachlass ihres Vaters Josef S. sind zwei gebundene Dramen (handschriftlich) vorhanden. An einem der zwei Lesebücher, herausgegeben 1898 und 1904, hat er ebenfalls mitgearbeitet.</p>
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