Archivgut Nachlass

Charlotte E. NL 225

Juni 1940 bis Oktober 1945

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: Juni 1940 bis Oktober 1945
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Wagrain und Radstadt in Salzburg, Neuberg an der Mürz in der Steiermark, Wien; Berlin in Deutschland; Orte an der Front/Kriegsschauplätze im 2. Weltkrieg: Kalajoki, Pori, Rauma und Rovaniemi in Finnland, Fornebu, Kirkenes (Kirkkoniemi) und Oslo in Norwegen u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Korrespondenz (Familienkorrespondenz, Feldpost aus dem 2. Weltkrieg): 987 Schreiben; 1 amtliches Dokument (Todesanzeige); 4 Fotografien (3 davon als Scans)</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin/Adressatin: Charlotte E. (geb. D.); 1892-1975, geb. und gest. in Wien

Schreiber/Adressat: Wilhelm E.; 1915-1977, geb. und gest. in Wien

ÜbergeberInnen: Mag.a Beatrix E. (Enkelin von Charlotte E.), 2014



Charlotte E. (geb. D.) lebte in gut situierten Verhältnissen in Wien. Ihr Ehemann Alfred E. (1881-1948) führte ein Kaffeehaus auf der Wieden, ihre drei Kinder absolvierten Universitätsstudien. Aus ihrem schriftlichen Nachlass ist der umfangreiche Briefwechsel erhalten, den sie in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mit ihrem älteren Sohn, dem Arzt Dr. Wilhelm E., geführt hat.

Er war als Stabsarzt in Norwegen und Finnland stationiert. Seine aus dem Zeitraum von Juni 1940 bis November 1943 erhaltenen 396 Feldpostschreiben wurden in vier in beschriftetem Packpapier gebundenen Bündeln aufbewahrt, die in einer mit „Kriegsbriefe Willy“ beschrifteten Karton-Schachtel gesammelt waren. Wilhelm E. schrieb fast täglich an die Mutter, wobei die Briefe an „Familie Alfred E.“ adressiert sind, mit „Meine Lieben“ beginnen und mit Floskeln wie „Innigst. Willy“, enden.

Inhalte der Schreiben sind neben dem Funktionieren der Postwege und Paketsendungen (etwa von bestellten medizinischen Fachbüchern) oder seine Bemühungen um Urlaub Berichte aus seinem soldatischen Alltag. Zwar wurden dabei keine medizinischen Vorgänge geschildert, oft aber die Organisation seiner Tätigkeiten: „Sonst gibt es hier wenig Neues, nur vielen Ärger mit dem Krankenrevier, bei dem sich nun nach Übernahem herausstellt, daß alle Anlagen unglaublich flüchtig und leichtfertig und unsolide gemacht worden sind, so daß bezüglich des Winters und der strengen Kälte ernste Befürchtungen auftauchen müssen.“ (18.9.1942). Politische Themen kamen etwa im Zusammenhang mit dem Besuch des „Führers“ anlässlich des Geburtstages des finnischen Politikers Carl Gustaf Emil Mannerheim zur Sprache, wobei Wilhelm E. den „bewundernswerten Patriotismus“ der ansässigen Bevölkerung erwähnte. Als im Herbst 1942 auch der 17-jährige Bruder Fredi E. zum Militärdienst eingezogen wurde (er starb im März 1944 als Pan-zergrenadier „im Osten“, wie es eine Todesanzeige ausweist), reflektierte Wilhelm E. über die Situation als Soldaten: „Dass Fredi nun auch schon zum Einrücken fertig gemacht wird, kommt mir als älterem Bruder kaum glaublich vor. Wie die Zeit doch verfliegt. Auch die Trennung von zu Haus empfindet man nur mehr als eben notwendiges Übel. Trotzdem kann man sich nicht verhehlen, daß man sich immer mehr und mehr an das herumzigeunernde Soldatenleben gewöhnt, ein Leben, das man früher wohl restlos als sinn- und zwecklos gewertet hätte. So richtig wohl ist mir aber auch nicht dabei und man wird langsam aber sicher des ewigen Einerlei müde. Es entwickelt sich damit eine Bequemlichkeit auf geistigem Gebiet, daß man bewußt willensmäßig etwas tun muß um nicht geistig völlig zu verkümmern“ (18.9.1942).

In den Briefen wurden auch persönliche Angelegenheiten diskutiert wie z.B. die Suche des 26-Jährigen nach einer Lebenspartnerin: „Was das Kapitel ‚Frau‘ betrifft (…) so glaub ich, habe ich in dieser Zeit meines Aus-landaufenthaltes wieder allerhand gelernt (…) vielmehr werde ich – das steht fest für ich – warten, bis sich meine weitere Zukunft deutlicher abzeichnet. Jedenfalls kommt – von vornherein – nur ein Mädel aus der Ostmark in Frage“ (14.9.1041).

Von Seiten Charlotte E.s liegen Briefe aus dem Zeitraum von Jänner 1941 bis Juni 1944 vor. Die insgesamt 585 Schreiben wurden zu drei Büchern gebunden, deren harte Einbände jeweils als Goldprägung die Aufschrift „Kriegsbriefe meiner Mutter“ tragen. Die auf diese Weise dokumentierte Korrespondenz wurde ebenfalls so gut wie täglich geführt und beginnt mit einem Einrücken von Wilhelm E.: „Unser lieber Willy, diesen Brief beginne ich gleich am abend des Tages, an dem Du uns verlassen – gegenwärtig rollst Du wohl mit immer kleinerem Intervall Berlin zu – während dem wir alle, sammt und sonders, durch den Abschied etwas hergenommen, in der Wohnung herumschleichen & die Absicht hegen, uns bald niederzulegen.“

Die Briefe dokumentieren sehr ausführlich Details aus dem Familienleben und ebenfalls das Funktionieren der Post- sowie Paketsendungen von verschiedenen Personen – wie etwa einem Volksschulfreund von Wilhelm E., der häufig Lebensmittel, Stoffe und Ähnliches u.a. aus Deutschland an Charlotte E. in Wien geschickt hat. Ihre große und sehr enge Schrift ist durchwegs schwierig leserlich, häufig sind Anmerkungen vertikal an den Rändern geschrieben. In den Schluss-Sequenzen wurde regelmäßig der Wunsch um „Gottes Schutz“ für den Sohn formuliert. Insgesamt drückte sie oft den Wunsch nach einem Ende des Kriegszustandes aus: „Einigermaßen mit schwerem Herzen beginne ich eine neue Serien Briefpapier für Dich, die ich in dem ländlichen Großkaufhaus des Herrn B. neben dem Gasthof Rabenstein erstanden habe – wieviele solche Briefpapierserien werden wir noch an-gänzen, ehe dieser unglückselige Krieg zu Ende sein wird?“ (25.7.1941).

Aus 1944 sind einzelne lose Schreiben erhalten, bis Oktober 1945 einige „Rot Kreuz Post“-Stücke, in denen Wilhelm E. seine Familie über seinen Aufenthalt in Linz informiert.

Übergeben wurden des Weiteren vier Portraitfotografien der einzelnen Familienmitglieder, die zwischen den 1920er- und 1960er-Jahren aufgenommen worden sind.</p>
Anmerkung:
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