Archivgut Nachlass

Martha K. NL 230

Dezember 1944 bis August 1945

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: Dezember 1944 bis August 1945
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Oschersleben (Bode) in Deutschland; Wilkau (Wilkow) in Polen (Schlesien); Leipa (Ceska Lipa) in Tschechien u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>autobiografische Aufzeichnungen (Abschrift, 26 Seiten, Scan von 2 handgeschriebenen Seiten); 3 Fotografien (Scans)</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin: (Emma) Martha K. (geb. K.); geb. 1907 in Lewin Brzeski (Löwen) Kreis Brzeg (Brieg) in Schlesien in Polen, gest. 1956 in Beckendorf-Neindorf in Sachsen-Anhalt in Deutschland

Übergeberin: Dr.in Corinna V.-H. (Enkelin von Martha K.), 2016



Martha K. hat in einer handschriftlichen Aufzeichnung ihre Flucht vor der Sowjetischen Armee aus dem Dorf Wilkau (Wilkow) im preußischer Landkreis Namslau (Namyslow) in Schlesien nach Oschersleben (Bode) im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt beschrieben. In der Sammlung Frauennachlässe liegt davon eine 26seitige PC-Abschrift vor, die ihre Enkelin, Dr.in Corinna V.-H., angefertigt hat.

Martha K. führte mit ihrem Ehemann Franz K. (1902-1979) eine Bäckerei in Wilkow. Sie hatten die drei Kinder Elvira (geb 1931), Eckhard (geb 1932) und Rudolf K. (geb 1936). Die drei als Scans übergebenen Fotografien zeigen ein Portrait von Martha K., ihre Familie (1936) sowie das Wohn- und Geschäftshaus in Wilkau.

Der autobiografische Bericht beginnt einleitend mit der Jahreswechsel 1944/45: "Als am 31.12.1944 die Silvesterglocken läuteten, sahen wir dem neuen Jahr mit Spannung entgegen, wussten wir doch alle, dass es in der nächsten Zeit eine entscheidende Wendung geben musste." Martha K. schildert den "Befehl zum Packen" am 19. Jänner 1945 und dem gemeinsamen Auszug aus dem Dorf zu Fuß und mit Pferde-Gespannen mitten im Winter. Der zum "Volkssturm" eingezogene Ehemann blieb vor Ort. Die einzelnen Stationen der ersten Tage werden detailliert beschrieben, teilweise mit Angaben von Uhrzeiten, und mit Schilderungen, wo sie als Flüchtlinge schlafen konnten und was sie wo zu Essen hatten. Martha K. berichtete genau, mit wem vernetzte und schilderte der Ungewissheit, was genau das Ziel der Flucht war. Bezüge oder Kommentare auf die politischen Ereignisse kommen nicht vor.

Bei einem Unfall mit einem Lastwagen zog sich Martha K. schwere Verletzungen zu, von denen sie sich auch später nicht mehr erholen konnte, was sie aber vorerst schwerwiegend in der Mobilität einschränkte. Während die anderen Wagen des Dorfes weiterzogen, stand ihr ein monatelanger Krankenhausaufenthalt in Leipa (Ceska Lipa) bevor. Die drei Kinder konnten aber in der Nähe unterkommen und der Kontakt mit Martha K.s Ehemann wiederhergestellt werden. Im Krankenhaus hat sie (vermutlich) auch (auf der Grundlage von Notizen) die Reinschrift der Aufzeichnungen über die Flucht verfasst, die späteren Ereignisse dürften dann direkt in das Heft eingetragen worden sein.

Im Mai 1945 wurde der Familie ein Wohnraum in Leipa zugewiesen, was zum Großteil von den jugendlichen Kindern organisiert worden war. Im Juni 1945 wanderte Martha K. mit ihren Kindern weiter, zuerst mit einem "Sammeltransport" des Roten Kreuzes und dann auf sich gestellt mit einem Handwagen. Sie beschrieb die Entscheidungen, die zu treffen waren in der Unsicherheit der politischen Entwicklungen sowie auch der Aussichten, wo die Familie den Winter verbringen würde können, bevor sie im August 1945 in dem sächsischen Ort Oschersleben ankamen, wo sich inzwischen viele der ehemaligen Nachbar:innen sowie Verwandte befanden.

Auch hier wird wieder die Rolle insbesondere der 14jährigen Tochter beim Organisieren des täglichen Lebens in der Emigration dargestellt: "So ging alles gut und der Kampf mit der Behörde um Zuzugsgenehmigung und Lebensmittelmarken konnte begonnen werden. Das alles musste ich nun unserem lieben Mädel überlassen, da ich kaum noch gehen konnte (…) Danach erlangte Elvira mit viel Glück und ihrer Beliebtheit die beiden angeführten wichtigen Sachen (Zuzug + Lebensmittelmarken) im Laufe einer Woche. (Anmerkung: Ich bin bis zum Bürgermeister gegangen und habe ihn unter Druck gesetzt: ‚Wir gehen nicht weg, eher ins Gefängnis.‘)" Der Bericht endet mit dem Angebot einer Wohngelegenheit.

Die Kinder von Martha K. absolvierten in den folgenden Jahren Ausbildungen in Sachsen-Anhalt, Tochter Elvira V. (geb. K.) etwa wurde Lehrerin. Sie verließen Ostdeutschland vor dem Bau der "Mauer". Martha K.s Ehemann Franz K. folgte ihnen nach ihrem Tod 1956. Er starb 1979 in Offenbach am Main.</p>
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