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Rauchen ist sexy & emanzipiert ...

in: EMMA
2005 , Heft: 3 , 86-89 S.

Weitere Informationen

Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:2005-3-a
Formatangabe: Interview
Link: Volltext
Verfasst von: Pötschke-Langer, Martina
In: EMMA
Jahr: 2005
Heft: 3
Beschreibung: Ill.
ISSN: 0721-9741
List of content:
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
  • Sprache: Nicht einzuordnen
    Beschreibung:
    Emanzipiert Prostitution?

    Schon die historische Frauenbewegung hat sich gegen Prostitution und für den Schutz und Ausstieg von Prostituierten engagiert. Auch für die Neue Frauenbewegung war das selbstverständlich. Neu ist, dass Frauen im Namen der Emanzipation für Prostitution und Freier sind.

    1971 erscheint von der US-Feministin Kate Millett das Buch ,Das verkaufte Geschlecht'. Sie lässt darin Prostituierte zu Wort kommen und vertritt die These, dass Prostitution ein Verstoß gegen die Menschenrechte ist und Körper und Seele der Frauen zerstört. Millett kommt zu dem Schluss: "Der Freier kauft nicht Sexualität, sondern Macht."

    1972 gehen Feministinnen in Paris und Lyon zusammen mit Prostituierten auf die Straße und protestieren gegen die "doppelte Moral", die Prostituierten die Bürgerrechte versagt, aber Freiertum wie ein Kavaliersdelikt behandelt. Ende der 70er Jahre fordert die feministische Zeitschrift Courage wiederholt nicht nur die "Bezahlung der Hausarbeit", sondern auch die der "Sexarbeit" innerhalb von Beziehungen. Argument: Heterosexualität ist immer Prostitution — warum sich also nicht gleich bezahlen lassen? Und: Alle Ehefrauen sind Quasi-Prostituierte - warum also nicht gleich auf den Strich gehen? 1980 titelt EMMA mit der Frage: "Macht Prostitution frei?" und kritisiert den (pseudo)feministischen Trend, Motive und Folgen der Prostitution zu verharmlosen bzw. zu verklären. Trendma-cherin: ftzz-Autorin Pieke Biermann, die in einem Gesprächsband mit fünf Gelegenheitsprostituierten (darunter die Autorin selbst) die Prostitution als befreienden, emanzipatorischen Akt für Frauen propagiert.

    1981 schreibt Alice Schwarzer in ihrem Vorwort für die deutsche Ausgabe des Millett-Buches: "Männer suchen bei Prostituierten die totale Verfügbarkeit." 1988 findet in Berlin der erste ,Huren-ball' statt, auf dem Prostituierte, Zuhälter und Freier gemeinsam feiern — zusammen mit tout Berlin. Veranstaltet wird der Ball von der Prostituiertenorganisation ,Hydra', die Staatsgelder dafür erhält, Prostituierten beim Ausstieg behilflich zu sein. In den folgenden Jahren jedoch fällt ,Hydra' vor allem durch Propaganda zum Einstieg auf. 1990 erklärt die von ,Hydra', Pieke Biermann u.a. betriebene sogenannte ,Huren-bewegung' auf einem Hearing der grünen Bundestagsfraktion zu dem Thema ,Beruf Hure': "Prostitution befreit die Frauen" — und: "Alles ist käuflich und verkäuflich: körperliche und geistige Arbeitskraft, Ideen, Kreativität, Engagement. Was hindert dann anzuerkennen, dass eben auch Sexualität (ver)käuflich ist?"

    1991 legt der bundesweite .Hurenkon-gress' für den "Beruf Prostitution" die "Rahmenbedingungen für die Berufsausbildung" fest. Die Rede ist darin von einem "Ratgeber für Einsteigerinnen" und einer "Hurenakademie". Geplant ist ein Praktikum "im Dominabereich, im Club, in einer Animierbar, im Hostessenservice, in der Peepshow". Finanziert werden die Aktivitäten und Kongresse der ,Hurenbewegung' auch von den Grünen. 1996 formuliert die ,Hurenbewegung' einen "Gesetzesentwurf zur rechtlichen und sozialen Gleichstellung von Prostituierten mit anderen Erwerbstätigen", un terstützt von den Grünen und der PDS. Begründung: Heute "ist der Weg frei für einen angemessenen Umgang mit den sexuellen Bedürfnissen der Bevölkerung und denjenigen, die die Nachfragen nach sexuellen Dienstleistungen erfüllen". 1999 tritt in Schweden das Anti-Freier-Gesetz in Kraft. Danach droht für den Kauf sexueller Dienstleistungen eine Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten. Denn: "Prostitution ist Gewalt", erklärt Frauenministerin Winberg. Die Schweden versprechen sich von dem Gesetz vor allem die Schaffung von "Un-rechtsbewusstsein" und "einen Meinungswandel". - Bereits im Jahr darauf lehnen 70 Prozent aller schwedischen Männer den Kauf einer Prostituierten "aus ehti-schen Gründen" ab. Allein in Malmö sinkt die Zahl der Freier auf die Hälfte. Im Mai 2001 veröffentlicht EMMA ein weiteres Dossier über Prostitution unter dem Titel .Salonfähig oder sittenwidrig?' Und antwortet: "Weder noch. Aber Prostitution ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde." In dem Dossier warnt EMMA vor der geplanten Reform des Prostitutionsgesetzes und prophezeit, dass es nur denjenigen nutzen wird, die mit der Ware Frau handeln - und den Frauenkauf noch salonfähiger macht, statt ihn zu ächten. Unmöglich, das "älteste Gewerbe der Welt" abzuschaffen? EMMA: "Auch die Abschaffung der Sklaverei wurde vor gar nicht langer Zeit noch für unmöglich gehalten." Am 19. Oktober 2001 knallen in Berlin die Sektkorken. SPD-Frauenministerin Bergmann und Grünen-Sprecherin Müller stoßen mit der Berliner Bordell-Chefin Weigmann an. Grund der Freude: die Reform des Prostitutionsgesetzes, nach der Prostitution in Zukunft juristisch nicht mehr als"sittenwidrig" gilt und darum auch die "Förderung von Prostitution" (durch Menschenhändler, Zuhälter oder Bordellbesitzer) nicht länger strafbar ist. Auch die Grünen-Frauensprecherin Irmingard Schewe-Gerigk begrüßt das neue Gesetz, obwohl sie Abstriche von ihren Forderungen machen musste. Grünes Ziel war es gewesen, dass "Prostitution ein Beruf wie jeder andere" wird. Da zog die SPD nun doch nicht so ganz mit. Doch Rotgrün verabschiedete ein Gesetz, das ganz im grünen Trend lag — und von dem drei Jahre später die überwältigende Mehrheit der Expertinnen sagt: Das Gesetz hat nur den Menschenhändlern und Zuhältern genutzt, den Prostituierten aber hat es geschadet.

    2003 treffen sich in Brüssel auf Einladung der Grünen 150 Expertinnen aus 15 EU-Ländern, darunter drei Deutsche. Im Verlauf der Debatte wird deutlich, dass nur drei Länder für die Legalisierung der Prostitution und Zuhälterei sind: Holland, Belgien — und Deutschland. Alle anderen Länder verfolgen vorrangig das Ziel einer Ächtung von Prostitution, sowie der Ausstiegshilfen für Prostituierte bis hin zur Bestrafung von Freiern (EMMA 3/2003).

    Am 8. März 2003 gehen in Paris Frauen mit dem Slogan auf die Straße: "Menschliche Wesen sind keine Ware", und die Frauenzeitschrift Marie-Ciaire titelt: "Warum die Prostitution abgeschafft werden muss!" Der konservative französische Innenminister sowie der rotgrüne Pariser Bürgermeister erwägen Maßnahmen gegen die Prostitution, in Verbindung mit verstärkten Ausstiegshilfen für Prostituierte, denn: "Prostitution ist eine Form der Sklaverei, die man nicht durch ein Regelwerk auch noch rechtfertigen darf." Sie verabschieden ein Gesetz zur Bestrafung von Freiern, die sich mit Prostituierten in "wehrloser Lage" einlassen (also Zwangsprostituierten, Drogenabhängigen, Minderjährigen etc.). Es drohen Geldstrafen und Gefängnis bis zu zwei Monaten, bei Minderjährigen bis zu sieben Jahren. Im Sommer 2004 taucht auch in Deutschland aus den Reihen der Opposition die Forderung nach der Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten auf. Vorschlag: Die Freier-Bestrafung direkt mit aufzunehmen in das Gesetz gegen Menschenhandel. Die rotgrüne Regierungsmehrheit schmettert den Vorschlag ab. Im Oktober 2004 verabschiedet der Bundestag das ,Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels'. Deutschland tut dies nicht freiwillig, sondern auf Weisung der Europäischen Union - und vor dem Hintergrund der Verschärfung des Problems durch die neuen EU-Staaten in Osteuropa, deren Beitritt den Handel auch mit der Ware Frau erleichtert. Expertinnen bedauern, dass ihre Anregungen von dem Hearing im Juni 2004 kaum berücksichtigt wurden bei dem neuen Gesetz und fordern eine Nachbesserung (EMMA 2/05).

    2005 präsentiert die CDU/CSU erneut ihren Gesetzesentwurf zur Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten. Darüber hinaus fordert das Land Bayern die Rücknahme der Reform des Prostitutions gesetzes von 2001.
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