Archivgut Nachlass

Hildegard F. NL 51 V

1912 bis 2019

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: 1912 bis 2019
Sprache: Deutsch
Beschreibung:

Orte: Wien; Krems in Niederösterreich u.a.

Quellentypen: Korrespondenzen (Familienkorrespondenz, amtliche Korrespondenz): 27 Schreiben; 17 amtliche Dokumente; literarischer Nachlass: 38 Lyrik-Texte; Weiteres: 1 Erinnerungsheft, 3 Kriegsanleihen, 1 Lebensmittelmarke, 8 Baulose, Zeitschriftenbericht u.a.

Zum Bestand: Schreiberin: Hildegard F.; geb. 1894 in Jaroslau (Jaroslav) in Galizien, gest. um 1975 in Wien

Übergeberin: Annelies F. (Ehefrau des Neffen von Hildegard F.), 2013



Hildegard F. war Bankbeamtin beim „Hypotheken und Credit-Institut Wien“. Der von ihr erhaltene schriftliche Nachlass dokumentiert ihre Tätigkeit im antifaschistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der „Österreichischen Freiheitsbewegung“. Im September 1940 wurde Hildegard F. deswegen von der Gestapo verhaftet und für zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft in Wien und Krems festgehalten.

Aus der Zeit in der Untersuchungshaft sind 26 Briefe erhalten, die sie zwischen Dezember 1940 und Februar 1943 an ihren Bruder Maximilian F. adressierte hat. Darin dokumentierte sie u.a., dass ihr keine Post zugestellt wurde: „Lieber Max! Nun ist es schon fast 1/4 Jahr daß ich hier bin und ich lasse schon den sechsten Brief los ohne auf den ersten, geschweige denn auf die anderen ein Lebenszeichen von Euch erhalten zu haben“ (März 1941).

Im März 1943 wurde Hildegard F. aus der Untersuchungshaft entlassen, erhielt aber das Verbot, in einer staatlich geführten Institution zu arbeiten. Im Mai 1944 wurde sie gemeinsam mit Marianne Skroch, Margarethe Keller, Wilhelm Kralik, Friedrich K., Eva Ganser, Gertrude Janka, Melanie Wotraubek und Karl Gröge wegen „Hochverrates“ angeklagt, die Verhandlung fand im Oktober 1944 statt. Sie wurde zu zwei Jahren Zuchthaus und zwei Jahren „Ehrenverlust“ verurteilt. Im August 1946 wurde das Urteil aufgehoben.

Die Verhaftung und Verurteilung von Hildegard F. ist anhand von 17 amtlichen Dokumenten detailliert belegt. Darunter findet sich u.a. der Haftbefehl, der Beschluss über die Aufhebung der Untersuchungshaft, die Ladung zur Hauptverhandlung und der Beschluss über die Aufhebung des Urteils. Aus November 1954 liegt schließlich ihr Ansuchen auf „Rente an in der Haft gesundheitlich Geschädigte“ nach dem Opferfürsorgegesetz von 1951 vor.

Das von dem „Anrather Kreis“ 1948 herausgegebene gedruckten Heft „Für Österreich“ aus 1948 enthält eine auf Hildegard F. ausgestellte „Ehrentafel“ sowie die Auflistung der ermordeten, verstorbenen und noch lebenden Mitglieder der „Österreichischen Freiheitsbewegung“. Hildegard F. ist hier als „Private, Wien I., Herrengasse 6/II“ genannt.

Die literarische Verarbeitung ihrer Erlebnisse als Verfolgte des faschistischen NS-Regimes liegt als Sammlung von 38 Lyrik-Texten vor. Diese sind unter dem Titel „Hinter Gittern, 1940-1943“ maschingeschrieben in einem Heftordner gesammelt. Der genaue Entstehungskontext der Texte sind teilweise in Reimform gestaltet und beschreiben alltägliche Abläufe in der Haft wie „Morgentoilette“, „Abschied von der Polizeistation“, „Astloch in der Tür“ oder „Weihnacht 1941“. Einige sind anderen Aktivist:innen gewidmet wie etwa „Annelies. (Zum 2. Jahrestag ihrer Verhaftung)“: „Wir haben an Österreich geglaubt, sind treu zur Heimat gestanden. Man hat uns dafür der Freiheit beraubt, zwei Jahre schon sind wir in Banden. […]“, oder es werden Mitinsassinnen wie „Tity“ beschrieben: „Sie ist Ärztin von Beruf, wurde mit uns anderen verhaftet, weil sie öfter Atteste schuf, die der Gestapo nicht einwandfrei schienen. Jetzt darf sie als Fazi hier dienen, anstatt Kranken Rezepte schreiben, Gänge kehren und Fußboden reiben […]“.

Aus Oktober 1992 ist ein Brief erhalten, den Hildegard Führings Neffe Elmar F. (1928-1993) an ein Präsidiumsmitglied der Vereinigung „Österreichische Widerstandsbewegung“ geschrieben hat. Inhalt ist eine mögliche Veröffentlichung von Texten seiner Tante in den Heften des „Informations- und Pressediensts der Österreichischen Widerstandsbewegung Ö.W.I.P.“. Beigelegt ist eine Auswahl von einzelnen Texten in verkleinerter Kopie, ein an Elmar F. adressiertes Kuvert ohne Inhalt sowie drei der Hefte des Ö.W.I.P. aus dem Jahr 1992.

Im Text „Der Engel von der Kasernstraße“ von Robert Streibel in den Mitteilungen der Klahr-Gesellschaft aus 2019 (2 Seiten) wird die „Dolmetscherin“ Hildegard F. schließlich kurz als Mitglied der „Österreichischen Freiheitsbewegung“ erwähnt.

Ohne Zusammenhang zu den Dokumenten aus der NS-Zeit enthält ihr Nachlass lose Unterlagen der Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg: Neben 3 „Österreichischen Kriegsanleihen“ über 100 bzw. 200 Kronen aus Mai 1915 sind das ein Teil einer Karte mit Lebensmittelmarken für Brot und Mehl aus 1917, eine Sammlung von knapp 100 „Zinsencoupons“ für „österreichische Kriegsanleihen“ u.a. bei der „k. k. Staatsschulden-Kasse in Wien“ oder der ungarischen „Magyar Jelzálog-Hitlebank“ aus den 1920er-Jahre sowie 8 „Österreichische Baulose“ über 1.200 Kronen aus 1922, denen ein Zettel mit der mit Notiz „Fast wertlos! Okt. 1994“ beigelegt ist.

Anmerkung:
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