Archivgut Nachlass

Josefa D. NL 47

September 1921 bis September 1926, Dezember 1959, 2002 (o. M.)

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: September 1921 bis September 1926, Dezember 1959, 2002 (o. M.)
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Herzogenburg, Oberndorf und St. Pölten in Niederösterreich, Wien; Antwerpen in Belgien; Kuchen in Baden Würtemberg in Deutschland u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Jugendtagebuch, Frauentagebuch, Tagebuch in der Emigration): 1 Band (in Kopie); 4 Fotografien (zum Teil in Kopie)</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Josefa D. (geb. G.); geb. 1905 in Oberndorf bei Herzogenburg in Niederösterreich, gest. 2004 in St. Pölten in Niederösterreich

Übergeberin: Monika G. (Tochter von Josefa D.), 2002



Josefa D. (geb. G.) ist mit einem älteren und einem jüngeren Bruder in Oberndorf bei Herzogenburg im mittleren Niederösterreich aufgewachsen. Ihre Mutter Johanna G. kam von einem Bauernhof im Waldviertel, im Jahr ihrer Heirat 1899 arbeitete sie als "Dienstmagd". Die Großeltern väterlicherseits werden in den Pfarrmatriken als "Tagelöhner" benannt, der Vater Michael G. war bei der Heirat "Maurergehilfe".

Obwohl Josefa D. bis dahin sehr gute Schulerfolge hatte, trat sie an ihrem 14. Geburtstag im Jänner 1919 aus der Pflichtschule aus. Anders als ihren zwei Brüdern finanzierten die Eltern dem Mädchen keine weitere Ausbildung. Sie blieb für einige Monate zuhause und half der Mutter "in der Wirtschaft", bevor sie nach einigen Monaten in der 20 Kilometer entfernten Stadt St. Pölten eine Stelle als Dienstmädchen antrat.

Im September 1921 begann sie als 16-Jährige damit, ein Tagebuch zu führen. Unter dem Titel "Einiges aus meinem Leben" hat sie darin die hier bisher gebrachten Informationen retrospektiv festgehalten. Ab jetzt schilderte Josefa D. in ihrem Tagebuch ihre verschiedenen Lebenssituationen. Die sporadisch geführten Aufzeichnungen im Umfang von 52 Seiten reichen schließlich bis September 1926, in der Sammlung Frauennachlässe liegen sie als Kopie vor.

Josefa Donabaums Schilderungen geben lebendige Einblicke in ihre persönlichen Netzwerke, ihre prekären Arbeitsverhältnisse, Freizeitaktivitäten und individuellen Interessen, in ihre Mobilität und nicht zuletzt die aktiv ausgeschöpften Handlungsspielräume. Die ersten Einträge berichteten jeweils knapp von den verschiedenen Anstellungen in Haushalten in St. Pölten, ab 1922 dann im 70 Kilometer entfernten Wien. Daneben sind Fortbildungskurse im Nähen sowie für den Bürobereich erwähnt, die die junge Frau selbstorganisiert besuchte, so wie auch ein Tanzkurs, Freizeit- und Ballvergnügungen.

1924 wechselte Josefa D. die Branche. Sie war jetzt Näherin in einer kleinen "Konfektionsfirma" und lebte alleine in Untermiete in Wien. Diese Arbeit gefiel ihr sehr gut, aufgrund der allgemein unsicheren wirtschaftlichen Lage war eine Fixanstellung als angelernte Näherin aber nicht möglich. Im Spätherbst 1925 ergab sich eine neue berufliche Perspektive für die inzwischen 20-Jährige: Gemeinsam mit einer Gruppe junger Frauen ließ sie sich in eine Textilfabrik im ländlichen Baden-Württemberg anwerben. Der Abschied von Wien und die Bahnreise werden im Tagebuch sehr genau beschrieben, einzelne Sehenswürdigkeiten genannt und die landschaftlichen Veränderungen geschildert.

In Deutschland musste sich die Arbeitsmigrantin zwar in schlechten Bedingungen im Industriebetrieb und Wohnheim zurechtfinden, die Gemeinschaft unter den Arbeiterinnen gefiel ihr hingegen sehr gut. Sie freundete sich auch mit einer ortsansässigen Familie an, erlernte die Mandoline zu spielen, besuchte den lokalen "Österreicherverein" und machte Ausflüge mit den Kolleginnen in kurzen Sporthosen. Nach sieben Monaten ging Josefa D. nach Belgien, wo sie im Juni 1926 eine Stelle als Dienstmädchen in Antwerpen antrat und wo die Einträge im Tagebuch abrupt enden. In ihrem letzten Eintrag schilderte sie den Besuch im örtlichen Tiergarten.

Nach dem überraschenden Tod des Vaters kam Josefa D. zurück nach Oberndorf bei Herzogenburg, um hier die Mutter zu unterstützen. 1931 heiratete sie den Maschinenschlosser Ernst D. (1904-1980). Er kam aus Theiß an der Donau, wo seine Eltern ein Kaufhaus betrieben haben. 1933, 1939 und 1944 wurden ihre drei Kinder Lieselotte, Ernst und Monika geboren. Die Familie lebte erst in Herzogenburg, seit 1941 dann in St. Pölten. Ernst D. war ab 1939 Berufsschullehrer.

Als Ergänzung zu den schriftlichen Aufzeichnungen wurden eine Portraitfotografie von Josefa D. aus 1925, 2 Fotografien der Familie vor dem Christbaum aus 1959 sowie 1 Fotografie der rüstigen Frau D. an ihrem 97. Geburtstag übergeben.

Ihr Tagebuch aus den 1920er-Jahren ist inzwischen bereits mehrfach wissenschaftlich ausgewertet worden.</p>
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Universitätsring 1
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