Archivgut Nachlass

Erna L. NL 227

1923 bis 1927, Februar 1930 bis August 1976

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: 1923 bis 1927, Februar 1930 bis August 1976
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Innsbruck-Arzl, Mutters und Wilten in Tirol, Wien; Dachau, München und Regensburg in Deutschland; Lourdes in Frankreich; Roma (Rom), Südtirol in Italien; Zürich und weitere Orte in der Schweiz; Osu-Accra in Süd-Vietnam; St. Louis in den USA; Kontum in Vietnam; verschiedene Orte in Ghana Innsbruck, Mutters und Wilten in Tirol, Wien; Dachau, München und Regensburg in Deutschland; Lourdes in Frankreich; Accra und andere Orte in Ghana; Roma (Rom) und verschiedene Orte in Alto-Adige (Südtirol) in Italien; Zürich und andere Orte in der Schweiz; St. Louis in den USA, Kon Tum und andere Orte in Vietnam</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Frauentagebuch, Wandertagebuch, während dem 2. Weltkrieg geführte Tagebücher; Männertagebuch/Tagebuchaufzeichnungen zum Ende des 2. Weltkrieges als Abschrift): 43 Bände; Korrespondenz (Familienkorrespondenz, Freundschaftskorrespondenz und berufliche Korrespondenz von Erna L. in den Tagebüchern eingefügt): ca. 450 Schreiben; autobiografische Aufzeichnungen: 1 Familienbuch (Chronik, 204 Seiten); ca. 500 Fotografien (in 2 Fotoalben sowie in den Tagebüchern eingeklebt); Weiteres: ca. 5.000 Zeitungausschnitte, Andachtsbilder, Ansichtskarten, Veranstaltungsankündigungen und -programme, Autogrammbilder oder Propagandabilder (oft als Collagen gestaltet) in den Tagebüchern eingefügt; Interview mit Kurt Schuschnigg aus 1972 (178 Seiten); Paket von Zeitungsausschnitten und Broschüren über historische Ereignisse in Tirol</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin/Adressatin: Erna L.; geb. 1904 in Wien, gest. 1976 in Innsbruck in Tirol

Übergeberin: Edith D. und Dr. Hartwig D. (Cousine und Cousin von Erna L.), 2015



Erna L. und ihre ältere Schwester Hildegard Johanna (Hilda) H. (geb. L., 1901-1978) wuchsen in Innsbruck und Wien auf. Ihre Mutter Johanna Maria F. (1872–1904) kam aus Innsbruck. Sie war wenige Tage nach der Geburt von Erna L. gestorben. Ihr Vater Eduard L. (1862–1941) war in Böhmen geboren worden. 1906 heiratete er in zweite Ehe die Wienerin Anna M. (1866–1957), die im Tagebuch als „Mutter“ angesprochen wird. Eduard L. war von 1883 bis 1895 Angehöriger der Gebirgsbatterie No. 1 in Trient gewesen wobei er ab 1885 die Position eines Postenführers und -kommandanten innehatte, ab 1895 war er im Gendarmerie- und Postdient tätig, ab 1898 k. k. Postassistent. Im Rahmen seiner Anstellung kam er auch von Tirol nach Wien bzw. Wien-Umgebung.

Erna L. hat die familiären Hintergründe sowie vor allem den (aus seiner Perspektive dargestellten) beruflichen Werdegang ihres Vaters in einem „Familienbuch“ (204 Seiten) ausführlich dokumentiert. Der Text ist mit zahlreichen Ansichtskarten, Korrespondenzstücken, amtlichen Dokumenten, Ansichtskarten sowie Portraitfotografien illustriert. In zwei Fotoalben sind zusammen weitere 99 Fotografien, zumeist Portraitaufnahmen aus der Zeit von zirka 1900 bis 1930 erhalten.

Der Zeitraum von November 1923 bis Mai 1927 wird durch ein Wanderbuch dokumentiert, in das Erna L. Ausflüge und Wanderungen im Wienerwald, im Rax- und Schneeberggebiet, in Salzburg, Tirol und Bayern (Watzmann) dokumentiert hat. Notiert sind die Gesellschaft, die Gehzeit, der Streckenverlauf etc., erweitert durch Gedichte, Postkarten, Fotografien, getrockneten Blumen und Wanderstempel. Einzelnes ist in Kurzschrift verfasst.

Erna L. war seit den 1920er-Jahren in Wien und München als Verlagssekretärin im Buchverlag Tyrolia tätig. Ab 1942 arbeitete sie als Sekretärin der Apostolischen Administratur (Finanzkammer der Diazösenverwaltung) in Innsbruck. Für 1945 belegen Ausweise weitere Tätigkeiten als Buchhändlerin in München und Innsbruck sowie als „Privatbeamtin“ in Wien. Nach ihrer Pensionierung war sie u.a. war sie langjährige Mitarbeiterin des jährlich erscheinenden „Reimmichls Volkskalender“ sowie u.a. als administrative Mitarbeiterin für den Ständestaat-Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (1897–1977) tätig.

Den Großteil ihres schriftlichen Nachlasses machen 40 Bände von Tagebüchern aus, die sie zwischen Februar 1930 und August 1976 regelmäßig geführt hat. Die einzelnen Bände sind aus sehr ähnlichem Material gebunden und jedes Buch hat als Hülle einem maßangepassten, nummerierten und beschrifteten Schuber aus Karton. Als weiteres Ordnungssystem sind maschingeschriebene Karteikarten vorhanden, die Schlagworte zu den Einträgen enthalten. Dieses akribische Beschlagwortungs-System wurde wahrscheinlich von Erna L. selbst angefertigt und umfasst Personen (z. T. mit kurzen Erläuterungen), Orte und Sachbegriffe (wie z. B. „Krieg“). Die Tagebucheinträge aller Bände bestehen aus Kompilationen von geschriebenem Text sowie Einklebungen und Einlagen. Zum Großteil sind das gedruckte Texte oder Bilder wie Zeitungausschnitte, Andachtsbilder, Ansichtskarten, Veranstaltungsankündigungen und -programme, Autogrammbilder oder Propagandabilder, von denen jeder Band im Schnitt zwischen 100 und 150 Stück enthält, die oft als Collagen gestaltet sind. An persönlichen Fotografien und persönlichen, an Erna L. adressierten Schriftstücken enthält jeder Band im Schnitt zwischen 5 und 15 Bilder bzw. 5 und 20 Briefen oder Karten. Zudem sind immer wieder getrocknete Pflanzen oder andere „Reliquien“ wie ein angebliches Fragment der „Fahne von Andreas H.“ (Band von 1936) eingefügt.

Das inhaltlich stärkste Thema der Einträge ist die religiös-katholische Ausrichtung der Schreiberin. Es wird die Teilnahme an einschlägigen Veranstaltungen dokumentiert, Fragen wie z. B. Wallfahrten oder Papstwahlen behandelt, viele der durch die verschiedenen Einlagen dokumentierten Personen sind katholischen Amtsträger, die oft auch aus dem persönlichen Umfeld von Erna L. kamen. 1955 ist etwa ein Buchsbaumzweig der Begräbnisausstattung von Theodor Kardinal Innitzer eingefügt. Öfter hat Erna L. Reden oder programmatische Texte per Hand in ihr Tagebuch übertragen, ein Tagebuch-Anhang umfasst eine ganze Sammlung von katholischen Predigten, „Hirtenbriefen“ und Reden. Erna L. beschäftigte sich ausführlich mit den Biografien von politisch-katholischen Politikern wie Engelbert Dollfuß oder Kurt Schuschnigg, mit dem sie ab Herbst 1950 in Briefkontakt stand und für den sie ab 1969 offenbar Schreib- und Büroarbeiten erledigte oder den Hund „Schlumpi“ betreute. Sie war in der paramilitärischen Wehrformation der „Ostmärkischen Sturmscharen“ sowie ab 1952 in der Katholische Arbeiterjugend (KAJ) organisiert, in der „Vaterländischen Front“, der „Schwarzgelben Legitimisten“ und im „Reichsbund der Österreicher“. Ihr Interesse an Personen der ehemaligen k.u.k-Monarchie wird auch durch persönliche Autogrammkarten bzw. standardisierten Dankesbriefen belegt. Sie setzte sich mit der Geschichte (Süd)Tirols auseinander, als Mitglied des „Bund der Österreicher. Landesgruppe Tyrol“ hielt sie 1965 zum Fest des Tiroler Schützenbundes („Standschützen“) fest: „daß heißes (deutsches) Herzblut sprüht, es bleibt Tiroler Erde, es bleibt der deutsche Süd!“.

Immer wieder wurden in den Einträgen aber auch aktuelle Ereignisse aufgegriffen, u.a. aus den Bereichen Politik, Sport, Natur oder Forschung, wie etwa Fortschritte in der Weltraumfahrt. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs hat Erna L. auch Truppenbewegungen und Bombenangriffe in Innsbruck und Wien verzeichnet. Davon sind auch Scheine mit dem Aufdruck „Lebenszeichen von…“ erhalten, die wahrscheinlich nach Bombardements an öffentlichen Plätzen angeschlagen werden konnten. Zeithistorische Dokumente sind auch eine „Reichsfettkarte“, eine „Reichskarte für Marmelade und Butter“ aus September/Oktober 1939 oder Reise-Erlaubnis-Bestätigungen der Militärregierungen aus der Nachkriegszeit für Fahrten v.a. nach Innsbruck oder Wien. In den 1970er Jahren reflektierte Erna L. über ihre antinationalsozialistische Transfertätigkeit von verbotenen Büchern aus dem Tyrolia Verlag von Wien nach Innsbruck während der Kriegszeit. Die von ihr besuchten Theater-, Musik-, Konzert-, Kino- und Tanzabende sind Form von Programmen, Einladungen oder Eintrittskarten usw. fassbar. Gelegentlich finden auch Wanderungen in die Berge Aufnahme in ihr Tagebuch.

Bereits im zweiten Band von 1931 begann Erna L. zudem damit, in ihren Tagebüchern auch Unterschriften zu sammeln, die oft durch Kurzeinträge und Sinnsprüche erweitert wurden. Zunächst sind das als Erinnerung an Veranstaltungen und Einträge von Freundinnen, Freunden oder Personen aus dem beruflichen und kirchlichen Umfeld. Sie dürfte ihre Tagebuchbände dazu jeweils mitgenommen zu haben. Im Weiteren kamen auch Einträge von Personen des öffentlich-katholischen Lebens dazu. Häufig auftretende Personen sind dabei u.a. Otto Habsburg („Kaiser Otto“) und Kurt Schuschnigg, die neben Engelbert Dollfuß, „Kaiser Karl“, dem im NS hingerichteten „Msgr. Lampert“ (Carl Lampert) oder dem Bergsteiger Mathias „Hias“ Rebitsch wiederholt vorkommen, wie u.a. der Chirurg und Billroth-Schüler Anton E., der Priester und Leiter des Tyrolia Verlages Josef Leb sowie Sebastian R. („Reimmichl“). 1941 ist ein Kuvert im Tagebuch eingeklebt, das den Adress-Aufdruck des Konzentrationslagers Dachau 3K trägt und von Johann Maria L. an Sebastian R. adressiert wurde.

Der Tod von Erna L. im Oktober 1976 ist in ihrem Tagebuch durch den Eintrag P.-R., ihrem Cousin dokumentiert, wobei er ihren Stil fortgeführt hat. Auch die Todesanzeige ihrer Schwester Hilda H. aus 1978 ist eingeklebt.

Neben einer Sammlung von Zeitungsauschnitten zu Ereignissen in Tirol ist u.a. die gebundene Kopie (57 Seiten) der MS-Abschrift von Tagebuchaufzeichnungen des christlich-sozialen Wiener Bürgermeisters und im KZ Dachau inhaftierten Richard S. (1885–1954) von 1. Mai bis 19. August 1945 und das Typoskript eines Interviews des Historikers Gerhard Jagschitz mit Kurt Schuschnigg von September 1972 (178 Seiten des Durchschlags) Teil des umfangreichen Nachlasses.



Ein autobiografischer Text von Erna Lipperts Vater Eduard L. über seine Militärzeit im 19. Jahrhundert ist Teil des Bestandes der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen und wurde 2012 in der Reihe "Damit es nicht verloren geht" veröffentlicht.</p>
Anmerkung:
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