Orte: Gaming, Mitterau und Roßleiten in Niederösterreich; Linz und Partenstein in Oberösterreich; Ferleiten bei Bruck-Fusch im Großglocknergebiet in Salzburg; Wien; Afyon (Afyonkarahisar), Ayancik, Eski; sehir, Istanbul (Konstantinopel), Kirikkale und Konya in der Türkei, verschiedene Urlaubsorte in Österreich u.a. Quellentypen: Korrespondenz (Freundschaftskorrespondenz, Freundinnenkorrespondenz): 116 Schreiben; 113 Fotografien; autobiografische Aufzeichnung: 1 Band (63 Seiten); 2 amtliche Dokumente (in Kopie) Zum Bestand: Adressatin: Maria S. (geb. W.); geb. 1882 in Linz in Oberösterreich, gest. 1952 in Mauthausen in Oberösterreich
Schreiber/Adressat: Ernst W.; geb. 1905 in Linz in Oberösterreich, gest. 1987 in Mauthausen in Oberösterreich
Irma W. (Witwe des Enkels von Maria S.), 2021 und 2022
Maria S. (geb. W.) ist in einem Waisenhaus in Linz in Oberösterreich aufgewachsen. Ihre Mutter Anna W. (geb. 1856) kam von einem Bauernhof in Oberweißenbach im Mühlviertel. Mit 15 Jahren trat Maria S. aus dem Waisenhaus aus und verdiente sich als Hilfsarbeiterin. 1904 kam ihr erster Sohn Karl W. (1904-1926) zur Welt. Sein Vater war der Kaufmann Karl K., dessen Eltern eine Eheschließung des Paares ablehnten. Im Februar 1905 starb Karl K. während einer transatlantischen Geschäftsreise bei einem Schiffsunglück. Maria S.s zweiter Sohn Ernst W. (1905-1987) wurde erst nach dem Tod seines Vaters geboren. Ein befreundeter Arzt vermittelte Maria S. eine Stelle als Krankenpflegerin im Allgemeinen Krankenhaus in Linz. Ihre zwei Buben musste sie bei Pflegefamilien unterbringen. Nach vier Jahren Dienst wurde sie zur Oberschwester befördert und nach der Heirat mit dem Angestellten („Bundesbahn-Offizial“) Heinrich S. konnte Maria S. auch ihre Kinder wieder zu sich holen. 1911 bezog die Familie eine Wohnung in Linz, später lebte das Ehepaar S. bei ihrem Sohn Ernst W. in Mauthausen, der hier in den 1930er-Jahren eine Handwerkstätte eröffnet hat.
Maria Sarstseiners Arbeit im Allgemeinen Krankenhaus in Linz in den 1900er- und 1910er-Jahren ist anhand von 23 Fotografien dokumentiert. Abgebildet sind darauf vor allem Krankenpflegerinnen und Ärzte bei der Behandlung von Patient:innen sowie bei anderen Arbeiten wie dem Kochen, Nähen, Stricken, bei der Essensausgabe und in der Wäscherei. Ein Bild zeigt eine junge Frau am Mikroskop, 2 sind Atelierportraitfotografien von Krankenschwestern in Uniform.
Von Maria S.s Korrespondenz sind 108 Postkarten erhalten, die Freund:innen und ehemalige Patient:innen von März 1902 bis Oktober 1915 an sie adressiert haben. Dokumentiert wird dabei u.a. ihr persönliches Verhältnis zu den Patent:innen: „Zur Erinnerung an den ekelhaften Patienten Willi M.“ (12. August 1910) oder „Sehr geehrtes Fräulein! Fühle mich verpflichtet Ihnen, für Ihre liebevolle Pflege, meinen aufrichtigsten Dank hiermit auszudrücken“ (undatiert). Die Motive der Postkarten sind einerseits touristische Abbildungen u.a. aus Budapest, Hallstadt, Karlsbad oder Meran, andererseits auch Fotopostkarten mit Atelier- und Gruppenaufnahmen: „An Meine liebe gute süße Maril ein Bild von deiner dich liebenden Antonie“ (undatiert).
Von Maria S.s Sohn Ernst W. sind lebensgeschichtliche Aufzeichnungen im Umfang von 63 maschingeschriebenen Seiten (hart gebundenen) übergeben worden. Er hat den Text in den 1980er-Jahren im hohen Alter verfasst. Die Aufzeichnungen tragen den Titel „Unser Opa erzählt aus seinen Kinder-, Lehr- und Wanderjahren von 1905-1931“. Sie sind von Ernst W.s Sohn Ernst W. (1935-2020) binden lassen worden, der auch ein kurzes Vorwort dazu geschrieben hat. Die Erzählung beinhalten eingangs Stationen im Leben von Ernst W.s Mutter Maria S., dann das Unterkommen der zwei Brüder Karl und Ernst W. bei verschiedenen Pflegefamilien, die Rückkehr zur Mutter und dem Stiefvater, die Schulzeit in Linz, die Arbeitssuche, die weitere Ausbildung während des Ersten Weltkriegs und dann die Arbeit als Maschinist ("Kompressorenwärter") u.a. beim Tunnelbau in Ferleiten bei Bruck-Fusch im Großglocknergebiet 1924, in Mitterau und Gaming.
Den Hauptteil der Erzählung nehmen Schilderungen von Ernst W.s drei Aufenthalten in der Türkei ein. Mit seinem Bruder hatte er dort 1925 das Arbeitsangebot auf einer Baustelle angenommen, für das sein Schwager den Kontakt brieflich vermittelt hatte: "Ich bin hier Bauleiter bei einem Tunnel- und Bahnbau und brauche dringend Professionisten, vor allem Mineure, Schlosser und Schmiede. Bitte organisiere bis zu 20 Mann." Die Arbeit wird als hart aber lohnenswert beschrieben: "Pro Tag erhielten wir sechs türkische Pfund, das war doppelt so viel wie in Österreich. Die Lebensweise war damals in der Türkei sehr billig, so daß wir fünf Pfund sparen konnten. Es gab keine Steuern, keine Abzüge, aber auch keine Krankenkasse. Das wichtigste war, gesund zu bleiben." Die beiden jungen Männer kamen mit gesundheitlichen Beschwerden nach Oberösterreich nach Hause: Während sich Ernst W. nach einigen Wochen von seiner Malariaerkrankung erholte, starb sein Bruder Karl im Mai 1926. Ernst W. trat drei weitere Stellen in der Türkei an, Anfang 1931 heiratete er in Österreich seine Jugendbekanntschaft Theresia (Reserl) Wurm aus Roßleiten, die im Frühjahr 1931 mit ihm gemeinsam nach Ayancık zu seinem vierten Aufenthalt in die T ürkei ging. Die Erzählung endet mit ihrer Rückkehr nach Österreich im Oktober 1931.
Dem Text sind 24 Fotografien von den im Text vorgestellten Personen angefügt sowie ein Bild des Autors Ernst W. im Alter vom 80 Jahren.
Aus dem Fotografienachlass von Ernst W. liegen in der Sammlung Frauennachlässe zudem 28 Fotografien als Originale vor. Diese wurden (vermutlich) in den 1920er- und 1930er-Jahren aufgenommen und zeigen u.a. Arbeiter bei Holz- und Bergbauarbeiten, vorwiegend beim Kraftwerk Partenstein in Oberösterreich. Eine Postkarte wurde 1930 aus Afyon (Afyonkarahisar) in der Türkei an Ernst W. adressiert, eine von ihm an „Oberwärterin Cilli zur Erinnerung“ gewidmete Fotopostkarte (ohne Datum) zeigt ihn mit einem Fahrrad und Hund auf einer alpinen Waldstraße.
12 nicht beschriftete Fotografien bzw. Fotopostkarten sind u.a. Atelieraufnahmen u.a. in historischen Verkleidung bzw. Bilder von Arbeitssituationen u.a. (vermutlich) von einer Gruppe von Dienstpersonal sowie von Büroangestellten. Ein Bild zeigt den Start eines Heißluftballons, eines ist mit „Tante Theresia 19.V.1915“ signiert
Von Ernst W. sowie von seiner Großmutter Anna W. liegen dazu jeweils die Scans der Neuausstellungen ihrer Geburtsurkunden (aus 1959 und 1938) vor. |