Archivgut Nachlass

Paula (von) F. NL 95

März 1917 bis Dezember 1973

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: März 1917 bis Dezember 1973
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>St. Anton am Arlberg in Tirol; Wien; Mährisch-Schönberg (Šumperk) in Mähren in Tschechien u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Frauentagebuch, während dem 1. Welktkriegs geführtes Tagebuch, während dem 2. Weltkrieg geführtes Tagebuch, Tagebuch in der Emigration, Kalender mit tagebuchähnlichen Einträgen, Ausgabenbücher): 48 Bände; Aufzeichnungen in Buchform: 2 Ausgabenbücher/Einnahmenbücher, 1 Gästebuch; 3 Fotografien</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin: (Baronin) Paula (von) F. (geb. S., verw. S.); geb. 1894 in Mährisch-Schönberg (Šumperk) in Mähren in Tschechien, gest. 1974 in Wien

Übergeber: Dr. Michael S.-H. (Sohn von Paula F.) und Adelheid O. (Enkelin von Paula F.), 2007, 2018



(Baronin) Paula (von) F. (geb. S., verw. S.) wurde 1894 als Tochter des Textilfabrikantenehepaares Paulina Theresia S. (geb. von E., 1870) und Emil S. (geb. 1860) in der Kleinstadt Mährisch-Schönberg (Šumperk) geboren, die damals zu den wichtigen Textilproduktionsstandorten der Doppelmonarchie zählte. Die Familie war sehr wohlhabend; so wurde etwa ihr Wohnhaus von Theophil von Hansen gebaut, der auch zahlreiche Wiener Ringbauten geplant hat.

Als 18-Jährige heiratete Paula F. 1912 Ignaz (genannt Igo) S. (1884-1922), der ebenfalls aus einer Textilfabrikantenfamilie kam, seine Mutter Ida S. (geb. 1859) war eine nahe Verwandte des Vaters von Paula F. Ihre drei Kinder Ignaz, Michael und Ursula wurden 1918, 1920 und 1921 geboren. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes 1922 in Prag (Praha) lebten Paula F. und ihre Kinder noch fünf Jahre in Mährisch-Schönberg, ehe sie nach ihrer zweiten Eheschließung nach Wien emigrierte.

Ihr zweiter Ehemann Dr. Viktor Freiherr (von) F. (1878-1947) war Senatspräsidenten am Verwaltungsgerichtshof in Wien und ebenfalls verwitwet und Vater von drei Kindern, Viktoria, Felicitas und Vitkor, geb. 1920, 1921 und 1923. Die nun große Familie wohnte nacheinander in der Wiener Leopoldstadt, Inneren Stadt und auf der Wieden. Nachdem ihre Kinder erwachsen und außer Haus waren und Paula F. erneut verwitwet war, nahm sie regelmäßig junge, internationale Gäste bei sich auf, die von ihrer Vernetzung innerhalb der gehobenen Wiener Gesellschaft profitierten.

Der umfangreiche schriftliche Nachlass von Paula F. beinhaltet zwei großformatige Einnahmen- und Ausgabenbücher (Februar 1922 bis Jänner 1938), die jeweils etwa zur Hälfte beschrieben sind. Die (nicht durchgängig geführten) Aufzeichnungen sind größtenteils exakt gestaltet. Im ersten Band (1922-1926, Titel: "von Igos Tod bis Wiederverheiratung") finden sich u.a. monatlich Angaben zu den (wechselnden) Posten "Essen", "Bekleidung", "Löhne", "Beleuchtung", "Beheizung", "Wohnung", "Tanzen und Theater", "Elektrische und Auto", "Rechnungen", "Wäsche" und "Geschenke", der erstgenannte Posten lautet meistens "Kinder". Im zweiten Buch (1923-1938) setzten sich die Posten u.a. aus "Nahrung", "Erziehung", "Wohnen", "Löhne", "Kleidung", "Gesundheit" oder "Vergnügen" zusammen. Dazwischen sind vereinzelte Einlagen (eine Postkarte der Kinder aus den Ferien aus 1926, Rechenzettel oder ein gepresstes Edelweiß) eingelegt.

Aus späteren Jahren liegt ein Gästebuch (in Kopie) vor, das Einträge von Oktober 1945 bis Oktober 1969 enthält, die Spuren von den vielen Gästen im Hause von Paula F. sind.

Der größte Teil im Nachlass von Paula F. umfasst ihre Tagebuchaufzeichnungen von März 1917 bis Dezember 1973, die 48 Bände umfassen. Der früheste erhaltene Band (in Kopie) war entsprechend dem ersten Eintrag vom 27. März 1917 zufolge "die Fortsetzung meines ersten Tagebuches, welches meine Kindheit, Verlobungszeit u. die 2 1/2 Jahre des entsetzlichen Krieges enthält, über dessen Schluß ich hoffentlich bald schreiben kann!" Dieses frühere Buch ist jedoch nicht erhalten. Das erste vorliegende Buch hat einen blumenbedruckten Einband und ein seitlich angebrachtes Schloss, die Einträge sind mit "Mit Gott" übertitelt. Es wurde über den Zeitraum von exakt neun Jahren geführt und ist nicht vollständig beschrieben. Belegt sind darin sowohl die einschneidenden persönlichen Ereignisse im Leben von Paula F., als auch die politischen Veränderungen bis zur Mitte der 1920er-Jahre.

Ihre anschließenden diaristischen Aufzeichnungen hat Paula F. in Kalender eingetragen. Von Jänner 1927 bis April 1934 waren das Blätter von Abreißkalendern mit Werbeaufdrucken der Schreibgeräte-Firma Sonnecken. Die Blätter enthalten v.a. stichwortähnliche Notizen zu täglichen Ereignissen in der Familie, die Schrift scheint sehr flüchtig, durch Abkürzungen sind die Einträge oft nicht leicht verständlich. (Eine Erklärung der Namensvarianten und Kosenamen der sechs Kinder von Paula F. wurde von ihrem Sohn Michael S.-H., der die Dokumente übergeben hat, zur Verfügung gestellt.) Die Blätter sind nach Jahren in Packpapier mit Schleifen gebündelt aufbewahrt worden. (Entsprechend wird in diesem Verzeichnis jede Jahressammlung als "Band" gerechnet.)

Ab 1. März 1934 (mit einer Überschneidung mit den Kalenderblättern von März und April 1934) bis zum 31. Dezember 1973 hat Paula F. ihre diaristischen Notizen in kleine vorgedruckte Monatsheftchen der Firma Schölers eingetragen. Darin ist jedem Tag eine Doppelseite zugewiesen: Auf der linken Seite ist Platz für persönliche Einträge, rechts sind Vordrucke für buchhaltäre Aufzeichnungen. Die Hefte eines Kalenderjahres sind jeweils in Kartonschubern gesammelt. (Entsprechend wird in diesem Verzeichnis jeder Schuber als "Band" gerechnet). Die Gestaltung der Einbände dieser Schuber ist recht verschieden (insbesondere der stabile Staniolpapierüberzug aus der Nachkriegszeit sticht optisch hervor). Mehrere der Schuber wurden mit Klebebändern repariert.

Paula F. hat dieselben Schreibvordrucke (die sich selbst über den langen Zeitraum nicht verändert haben) über 4 Jahrzehnte bis ins hohe Alter verwendet, wobei sich ihre individuelle Anwendung dabei über die Zeit verändert hat: Während sie in den früheren Büchern noch der vorgegebenen Zweiteilung der Einträge folgt, treten die buchhalterischen Aufzeichnungen zunehmend in den Hintergrund. In späteren Heften verzeichnet sie auf der für die Notierungen der Ausgaben vorgesehenen Seite z.B. Speisefolgen. Die Inhalte der Tagebucheinträge bleiben aber ähnlich: Über die Jahrzehnte berichtet Paula F. telegrammartig und dabei detailliert aus ihrem Alltag, von Besorgungen und Begegnungen, sowie den Begebenheiten im Leben der Mitglieder ihrer Familie. Im selben Stil werden auch politische Ereignisse notiert. So lautet etwa der Eintrag vom 13. März 1938: "geschnitzt. 9h (…) Messe (…) M. [Paula F.'s Sohn] sah ich bei der Rotenturmstr. Zu Hause, Jause mit T. u. M. viel Besuch da. B. zu Tisch (…) Haare gewaschen U. [Paula F.'s Tochter] spazieren gelassen. V. gekommen er ist der 100 Besuch von U. gewesen. Ganze Familie H. da Gesellschaftsspiele gespielt ab 1/2 12 Radio gehört, Österreich im Land des Deutsch Reiches". Die Schrift bleibt kontinuierlich schwer leserlich, die Einträge sind mit Tinte, Bleistift oder verschiedenfärbigem Kugelschreiber verfasst.

Die Hefte sind fast lückenlos vorhanden, alleine das Monatsheft von Februar 1947, zum Tod von Paula F.s zweiten Ehemann, und jenes von April 1956 fehlen. Von den Einträgen der Monatshefte von August 1939 bis Dezember 1940 liegen daneben die zum Teil handschriftlich, zum Teil mit Schreibmaschine von Michael S.-H. angefertigten Abschriften (in Kopie) vor.

Eine Unterbrechung des gewohnten Schreibmodus fand nur zum Kriegsende 1945 (April bis September) sowie 1946 statt. Paula F. war 1945 nach St. Anton am Arlberg in Tirol geflüchtet. Aus dieser Zeit sind statt der Monatsheftchen 9 kleinformatige Notizhefte vorhanden. Drei dieser Hefte tragen den Titel "Flucht Tagebuch" (April bis September 1945), zwei beinhalten (nicht durchgängige) Tagebucheinträge aus 1946. 4 weitere, zum Teil nicht vollständig beschriebe Hefte beinhalten Einträge verschiedener Art (z.B. Adressen oder nicht zuordenbare Notizen). 7 dieser Hefte sind mit "Mit Gott" überschrieben.

2018 wurden 3 Portraitfotografien von Paula F. nachgereicht. Diese sind mit 1913, um 1918 und um 1930 datiert.</p>
Anmerkung:
Aus Datenschutzgründen werden in diesem Online-Verzeichnis alle Nachnamen abgekürzt angegeben. Die mit den Übergeber/innen der Bestände jeweils vertraglich vereinbarte Verwendung der Namen ist bei der Recherche vor Ort abzuklären.
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