Orte: Kematen an der Krems, Linz, Wels und andere Orte in Oberösterreich, Graz in der Steiermark; Urlaubsorte: Florenz (Firenze), Neapel (Napoli), Rom (Roma), Venedig (Venezia) und andere Orte in Italien, verschiedene Orte in Griechenland, Rijeka (Fiume) und andere Orte in Kroatien, Portorož (Portorose) und andere Orte in Slowenien; unbestimmbare Orte an der italienischen Front/Kriegsschauplätze im 1. Weltkrieg u. a. Quellentypen: Tagebuch (Männertagebuch, Reisetagebuch, Soldatentagebuch aus dem 1. Weltkrieg, während dem 2. Weltkrieg geführtes Tagebuch, tagebuchähnliche Aufzeichnungen): 21 Bände; Korrespondenz (amtliche Korrespondenz, geschäftliche Korrespondenz): 15 Schreiben; 3 amtliche Dokumente; 32 Dokumente zu Schule, Universität und Berufslaufbahn; autobiografische Aufzeichnungen: 2 Lebensläufe (2 Seiten); Weiteres: 1 Holzkiste mit 6 Orden bzw. Abzeichen und ein Couleurband, Parten, Zeitungsausschnitte, Fotopostkarten, Visitenkarte Zum Bestand: Schreiber/Emfpänger: Dr. Ludwig R.; geb. 1895 in Wels in Oberösterreich, gest. 1967 in Kematen an der Krems in Oberösterreich
Übergeber: Dr. Florian W. (Urenkel von Dr. Ludwig R.), 2019-2022
Dr. Ludwig R. wuchs mit 6 Geschwistern in Wels und Gramastetten in Oberösterreich auf. Sein Vater Johann R. (1858-1897) war Tischlermeister, er starb 39jährig während einer Operation. Seine Mutter Walburga R. (1856-1931) erhielt daraufhin von den ehemaligen Arbeitgeber:innen ihres Ehemannes, einem Zweig der Familie Habsburg, eine Rente. Damit war u. a. auch die Ausbildung von Ludwig R. möglich.
Er besuchte das Gymnasium in Linz und studierte Medizin an der Universität in Graz, wo er 1920 promovierte. Von seiner Ausbildung und Berufslaufbahn sind 27 Schul-, Universitäts- und Dienstzeugnisse sowie eine Beitrittsurkunde zur Studentenverbindung Carolina erhalten, die zwischen 1907 und 1958 ausgestellt worden sind.
1922 heiratete Ludwig R. die als Lehrerin ausgebildete Paula R. (geb. N., 1901-1961, NL 262 III), im selben Jahr übernahm er eine Praxis als Gemeindearzt in Kematen an der Krems in Oberösterreich. Seine Ehefrau arbeitete ebenfalls in der Praxis. Sie hatten die drei Kinder Günther R. (1923-1945), Dipl.-Ing.in Helga W. (geb. R., 1925-2016) und Edith (Ditha) R.. Ludwig R. war Vizepräsident der Oberösterreichischen Ärztekammer und Funktionär des Roten Kreuzes. Von der Gemeinde Piberbach, die zu seinem Sprengel gehörte, wurde er als Ehrenbürger ernannt.
Im schriftlichen Nachlass von Ludwig R. sind 7 Tagebücher erhalten, die den Zeitraum von Juli 1913 bis Juni 1948 abdecken. Die sehr unterschiedlich gehaltenen Bände haben einen Umfang von ca. 550 Seiten. Das Tagebuch aus dem ersten Weltkrieg, in dem er als Sanitäter eingesetzt war, ist in Kurzschrift verfasst. Die weiteren Aufzeichnungen enthalten u. a. datierte Notizen zu den Themen Gesundheit („Ein tägliches Luftbad hat mehr Wert als wenn du dir im Juli und August einen Adria-Teint erbratest“, 16. Oktober 1929) oder Politik, Religion und Gesellschaft („Art und Umfang nach sind die K.Z. Greuel das Scheußlichste, was in der Geschichte der Menschheit überhaupt vorgekommen ist. Bequem leben und gut essen und trinken ist das, worauf es der Majorität der Landgeistlichkeit in erster Linie ankommt“, 26. August 1946), aber auch Register oder Listen von Buchtiteln. In einer beschreibenden und kommentierenden Schreibweise hielt Ludwig R. dann u. a. auch den Beginn und den Verlauf des Zweiten Weltkrieges aus seiner Perspektive als Arzt in Kematen fest: „Die Baumblüte ist heuer so schön und reich wie schon seit Jahren nicht mehr. Die Fälle von Unterernährung und Körperschwäche sind, wie ich in meinen Rayon einwandfrei feststellen kann im Zunehmen begriffen, ebenso Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten“ (18. Mai 1942).
Seine zwischen Februar 1925 und April 1967 unternommenen Reisen v.a. an die Adria in Italien, in Slowenien und Kroatien hat Ludwig R. in 13 Reisetagebüchern auf gut 1.000 beschriebenen Seiten dokumentiert. Darin sind sowohl die Fahrten an sich als auch die Destinationen detailreich beschrieben: „Paula führte mich im Auto nach R.. Von hier ab um 13 h 47. Herrlich reiner Tag, kalt, starker Ostwind. Das Gebirge hab ich kaum jemals bei einer Durchfahrt so herrlich klar gesehen“ (19. März 1928). „Wir bewundern die ausgedehnten Orangenkulturen der fruchtbaren Ebene. Viel Wasser auf den Wiesen und Feldern, Schafherden, schwarze Büffel als Zugtiere und in Rudeln weidend. Nach einer Stunde steigen wir in Paestanis aus, der blaue Himmel und die laue Luft stimmen uns fröhlich“ (19. Februar 1938).
Paula und Ludwig R.s Sohn Günther begann, wie der Vater, das Studium der Medizin an der Universität Graz. Er musste sein Studium zunächst für den Reichsarbeitsdienst unterbrechen, später wurde er zum Wehrdienst eingezogen. Er gilt seit Jänner 1945 als Soldat an der Front östlich von Berlin als vermisst.
Paula und Ludwig R.s Tochter Helga W. hatte ein Studium an der Universität für Bodenkultur in Wien absolviert. Nach dem frühen Bergunfalltod ihres Ehemannes war sie 1953 mit ihren vier kleinen Kindern wieder zu den Eltern gezogen. Sie arbeitete dann wochentags in Niederösterreich und Linz, während Paula R. die Enkelkinder betreute. Ab dem Tod ihrer Mutter 1961 lebte Helga W. dann im elterlichen Haus, arbeitete in der Artpraxis des Vaters Ludwig R. und führten den Haushalt. Unter anderem fuhr sie Ludwig R. mit dem Auto zu Patient:innen.
Paula und Ludwig R.s zweite Tochter Ditha R. arbeitete als Diplomdolmetscherin und engagierte sich in der katholischen Frauenbewegung.
Zu Ludwig R.s beruflichen Tätigkeit in der Nachkriegszeit liegt eine Sammlung an Auszeichnungen, Verleihungsurkunden von Ehrentiteln und Zeitungsausschnitte vor. Zudem sind insgesamt 15 Korrespondenzstücke von 1948 bis 1950 erhalten, u. a. betreffend den Abschuss eines amerikanischen Flugzeugs über Kematen 1944 und ein darauffolgendes Gerichtsverfahren.
Des Weiteren sind ein Waffenpass und eine Waffenbesitz-Bewilligung aus 1935, ein Reisepass aus 1948, eine Visitenkarte, unbeschriebene Fotopostkarten sowie Parten für Paula R. (1961) und Ludwig R. selbst (1967) aufbewahrt worden.
In einer Holzkiste wurden schließlich 1 Couleurband einer CV-Verbindung sowie 6 Abzeichen und Orden aufbewahrt, darunter Auszeichnungen des Roten Kreuzes und der Feuerwehr, die vermutlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergeben worden sind.
Fotografien (als Scans) aus dem Nachlass von Ludwig R. sind in der Ordnung der Sammlung Frauennachlässe dem Nachlass seiner Tochter Helga W. (SFN NL 262 I) zugeordnet. |