Archivgut Nachlass

Marianne G. NL 274

1900er-Jahre bis 2021

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: 1900er-Jahre bis 2021
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Eichhorn in Zistersdorf in Niederösterreich u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>autobiografische Aufzeichnungen: 3 Texte (in Kopie bzw. Abschrift, 33 Seiten); 3 Fotografien (in Kopie); Weiteres: Gedichte (Abschrift)</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin: Marianne G. (geb. P.); 1924-2019, geb. und gest. in Eichhorn in Niederösterreich

Übergeberin: Johanna K. (Tochter von Marianne G.), 2021



Marianne Adalbertine G. (geb. P.) wuchs gemeinsam mit drei Geschwistern in Eichhorn im östlichen Weinviertel in Niederösterreich auf. Ihre Eltern Magdalena und Adalbert P. führten dort einen Bauernhof. Hier wurden neben dem Getreide- und Gemüse- sowie Zuckerrübenanbau auch Weinbau und Viehwirtschaft betrieben. Gehalten wurden Kühe, Schweine und Hühner. Marianne G. besuchte die Volksschule in Eichhorn. Aus ihrer Schulzeit sind je eine Klassenfotografie aus den späten 1920er-Jahren und aus 1937 erhalten. Sie übernahm den elterlichen Betrieb, war verheiratet und hatte drei Töchter.

Marianne G. verfasste in den 1990er- und 2000er-Jahren eine autobiografische Erzählung. Diese liegt in der Sammlung Frauennachlässe als 20-seitige PC-Abschrift vor, die von ihrer Tochter Johanna K. angefertigt und mit "Unsere Oma erinnert sich" betitelt wurde. In dem Text schilderte Marianne G. detailreich ihr Aufwachsen in der Landwirtschaft, insbesondere die Tierhaltung und die Erntearbeiten: "Ein Erntedrusch mit der großen Maschine: Vorher wurde ein Schwein geschlachtet, die Arbeiter bekamen volle Kost. Mütter nahmen die Kinder mit und die wurden selbstverständlicherweise auch mit versorgt. Man brauchte männliche und weibliche Arbeitskräfte. Mit den Hausangehörigen und Dienstboten waren es um die 40 Personen. Um 5 Uhr früh war Beginn […] Um 7 Uhr abends war für die Drescher Schluss und zum Abendessen gab es Fleisch mit Gemüse und Salat. Meine Mutter hatte sich immer sehr bemüht, ein gutes Essen auf den Tisch zu bringen. Es kostete sie viele Schweißtropfen, bei 25 bis 30 Grad Außentemperatur auf einem mit Holz geheizten Herd zu kochen." Ebenso wurden Erinnerungen an ihre Schulzeit, Feier- und Kirtage und einzelne Ereignisse festgehalten, wie etwa das im Jahr 1938 in weiten Teilen Europas sichtbare Nordlicht.

Ein Ausschnitt aus Marianne Girschs Schilderungen über das Jahr 1945 ist neben der Abschrift auch als Kopie ihrer handschriftlichen Aufzeichnungen (10 Seiten) übergeben worden. In diesen wird zunächst der Abschied von ihrem Bruder Adalbert P. (1927-1945) geschildert, der im April 1945 als Soldat starb. Weitere Themen sind das Kampfgeschehen in Eichhorn und besonders die Ungewissheit bezüglich der 'Besatzungszeit': "Der 11. April rückte immer näher. Eine Woche vorher war Ostern, die Osterwoche machten wir noch den üblichen Osterputz, nur um die Zeit tot zu schlagen, das warten um das Ungewisse war fürchterlich.“ Detailliert beschrieb Marianne G. die Einquartierung von deutschen und sowjetischen Soldaten sowie die zeitweise Unterbringung von Nachbar:innen am Bauernhof. Ebenso thematisierte sie die erschwerte landwirtschaftliche Arbeit: „Ich ging jeden Tag früh und abends hinauf um die Kühe zu melken. Die Angst war riesengroß, doch ich ging wieder mit 2 Kannen Milch nach Hause und wir freuten uns, daß wir etwas zu essen hatten. Kartoffeln und Milch war unsere Kost. Auch den anderen Leuten die bei uns schliefen gaben wir zu essen."

Einzelne Kapitel der autobiografischen Erzählungen widmete Marianna G. der Erinnerung an ihre Großeltern, ihre Geschwister Johanna P. (1926-1947) und Adalbert P. sowie auch an einzelne Anekdoten aus Kindheit ihrer drei Töchter. Die beschriebene Zeit reicht dabei bis in die 1960er-Jahre. Beigefügt sind dem Text auch die PC-Abschriften von Gedichten von Marianne G. (4 Seiten), in denen sie u.a. eine "Kaufhausidylle" oder das Fahren mit der U-Bahn beschreibt. Das Deckblatt zu den Aufzeichnungen ist mit einer Fotografie von Marianne G. und ihrer Enkeltochter aus den 2010er-Jahren gestaltet.

Marianne G. verbrachte ihr ganzes Leben auf dem Bauernhof in Eichhorn. Sie hielt dort bis ins hohe Alter Hühner, Hunde und Katzen und hatte einen großen Gemüsegarten. Ihre Tochter Johanna K. erinnert sie als empathisch, aufgeschlossen, zielstrebig und fortschrittlich denkend. Aus Anlass des Verkaufs des Hofes verfasste Johanna K. 2020/2021 den Text "Bilder und Erinnerungen" (2 1/2 Seiten): "Viel könnten die Mauern erzählen, hätten sie Tagebuch geführt! Wenig ist von dem einstigen Leben übriggeblieben!" Die Autorin endet mit der versöhnlichen Erkenntnis: "Das Leben findet in der Gegenwart statt, aber die Vergangenheit ist ein Teil davon."</p>
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