Archivgut Nachlass

Therese L. NL 3 I

Mai 1909 bis April 1980

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: Mai 1909 bis April 1980
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Brunn am Gebirge, Groß Riedenthal, Gugging, Kirchberg am Wagram, Maria Enzersdorf, Maria Lourdes-Grotte, Raxgebiet, Rekawinkel und St. Andrä in Niederösterreich, Wien; Alexandria, Assuan, Kairo, Karnak, Luxor und verschiedene Orte in Ägypten; Piräus und andere Orte in Griechenland; Dublini und verschiedene Orte in Irland; Neapel (Napoli) in Italien u.a.; Orte an der Front/Kriegsschauplätze im 1. Weltkrieg: Thessaloniki und andere Orte in Griechenland</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Jugendtagebücher, Frauentagebücher, Reisetagebuch, während dem 1. Weltkrieg geführtes Tagebuch, während dem 2. Weltkrieg geführtes Tagebuch, Männertagebuch/Soldatentagebuch aus dem 1. Weltkrieg): 61 Bände; Aufzeichnungen in Buchform: 10 Verzeichnisse (zum Teil in Kopie); Korrespondenz (Paarkorrespondenz, Familienkorrespondenz, Freundschaftskorrespondenz, Korrespondenz zu literarischen Veröffentlichungen und Gesangsauftritten, Feldpost aus dem 1. Weltkrieg): ca. 850 Schreiben (zum Teil in Kopie); 67 amtliche Dokumente (in Kopie); Dokumente zur Schul- und Berufslaufbahn: ca. 280 Dokumente zu Gesangsauftritten; autobiografische Aufzeichnungen: 1 CD und 1 Videokassette mit Interviews mit Therese L.; 24 Fotografien (zum Teil in Kopie); Weiteres: Broschüren; literarischer Nachlass</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin/Adressatin: Therese L. (geb. T.); 1892-1980, geb. und gest. in Wien

Übergeberinnen: Dr.in Mona Lisa S. und Mag.a Ruth S. (Tochter und Enkelin von Therese L.), 1995-2005



Therese L. (geb. T.) wurde in Wien geboren. Ihre Mutter Rosalia T. (verh. L., 1871-1968) kam aus Groß Riedenthal in Niederösterreich und arbeitete u.a. als Schneiderin. Ihr Vater war der Sohn einer gut situierten jüdischen Familie, ihre unverheiratete Mutter brachte sie im Wiener Findelhaus zur Welt. Die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte das Mädchen bei ihrer Großmutter in Groß Riedenthal, seit der Heirat ihrer Mutter 1898 lebte sie in Wien. 1899 und 1902 wurden ihre beiden Halbgeschwister geboren. Bereits als Kind absolvierte Therese L. verschiedene Gesangsauftritte. Als junge Frau erhielt sie Gesangsunterricht und war sie Büroangestellte.

Mit 21 Jahren lernte sie den um 17 Jahre älteren Bankangestellten Ignaz L. (1875-1952) kennen. 1914 heiratete sie den Witwer, 1915 kam ihre Tochter Dr.in Mona Lisa (Monika Elisabeth, genannt u.a. Lisl) S. (geb. L., 1915-2000) zur Welt. Anlässlich ihrer Heirat mit dem jüdischen Ignaz L. war Therese L. aus der katholischen Kirche ausgetreten, die Tochter wurde in die Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde eingetragen. Die Familie lebte in einer Wohnung mit Garten im 13. Wiener Gemeindebezirk. Therese L. war als Sängerin und später auch Organistin tätig, seit ihrer Jugend arbeitete sie zudem an literarischen Texten. Während des Zweiten Weltkriegs übernahm sie zusätzliche Gelegenheitsarbeiten.

Nach dem „Anschluss“ von Österreich an das Deutsche Reich flüchtete Mona Lisa S. im Herbst 1938 vor den Nationalsozialisten nach Manila. Therese und Ignaz L. planten zeitweise ebenfalls in die Emigration zu gehen, blieben letztlich aber in Wien. Durch die Adoption durch den katholischen Stiefvater war Therese L. vorerst vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten geschützt. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs lebte sie mit ihrem Ehemann in drei verschiedenen von ihr so genannten „Judenhäusern“ im 2. und 6. Wiener Gemeindebezirk. Seit Ausbruch des Pazifik-Krieges im Dezember 1941 war eine Postverbindung mit den Philippinen unmöglich geworden, in Folge dessen blieben Therese und Ignaz L. über das Schicksal der Tochter in der Emigration für mehrere Jahre im Ungewissen. Die Zeit des NS und die Repressalien, die Therese L. und ihre Familie erlebten, sind auch anhand zahlreicher amtlicher (in Kopie vorliegender) Schriftstücke dokumentiert. Im Juni 1945 konnten Therese und Ignaz L. in ihre frühere Wohnung zurückkehren, im Februar 1946 erhielten sie die erste Nachkriegspost von den Philippinen.

Mona Lisa S. hatte in Wien Botanik und Zoologie studiert, in Manila wurde sie als Universitätsassistentin eingestellt. 1940 heiratete sie hier Dr. Hans S. (1908-1980), einen ebenfalls aus Wien geflüchteten Rechtsanwalt. Ihre drei Töchter kamen 1942, 1944 und 1948 zur Welt. 1954 schloss Mona Lisa S. das zwangsweise unterbrochene Studium in Wien ab. 1965 kehrten sie und ihr Ehemann nach Wien zurück, wo ihre Kinder bereits in den Jahren zuvor zur Schule gegangen waren.

Der schriftliche Nachlass von Therese L. umfasst 60 Tagebücher aus dem Zeitraum von über 8 Jahrzehnten von Oktober 1909 bis April 1980. Den frühen Tagebüchern (Oktober 1909 bis August 1912) ist jeweils ein Motto vorangestellt, das Motto des ersten Tagebuches lautet z.B. „Mein Kampf – mein Glück, Mein Lied – mein Leben. Und Meine Liebe“. Zum Teil hat Therese L. auch verschiedene Tagebücher parallel geführt oder einzelne Einträge nachträglich umgeschrieben. Zwei Bücher enthalten Briefabschriften bzw. sind Tagebücher in Briefform, in drei Büchern aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges werden weiters Gespräche von „Séancen“ wiedergegeben. Ihre späteren Tagebücher wurden für Therese L. zunehmend auch zu einem Ort, um ihren christlichen Glauben auszudrücken. Die Einträge in den Tagebüchern während der NS-Zeit sind zudem geprägt von der Sorge um ihre Tochter und die Angst vor der Deportation ihres Ehemanns, zumal Therese L.s Schreibstil in dieser Zeit geprägt war von Verschlüsselungen und neben Glaubensfragen auch Naturschilderungen einen breiten Raum in den Aufzeichnungen einnahmen: „22.II. (1941) Morgen 11 Wochen, daß Lisl schrieb. Die Polentransporte. Dienstag 18. bei Edith. Vom Rudolfinum kommend hörte ich das Flöten der Amseln in den Gärten. Wie wurde mir da weh ums Herz.“

Die Bücher aus März 1938 bis Juli 1946 wurden von Therese L. im Frühling 1975 überarbeitet. Die neu kompilierte und stark gekürzte, mit Schreibmaschine geschriebene Fassung (39 Seiten) trägt den Titel „Die apokalyptischen Jahre“.

Neben dem umfangreichen Tagebuchbestand sind 10 Bücher mit Verzeichnissen zu verschiedenen Themen vorhanden. In 7 davon hat Therese L. ihre von April 1915 bis Mai 1976 unternommenen „Reisen und größere Ausflüge“ notiert. Die anderen Verzeichnisse enthalten Angaben zu Brief- und Paketsendungen an die Tochter auf den Philippinen, zu finanziellen Angelegenheiten sowie zu Auftritten Konzerten, an denen Therese L. von Dezember 1909 bis August 1964 als Sängerin oder Organistin mitgewirkt hat.

Der Korrespondenzbestand von Therese L. beinhaltet insgesamt 734 Schreiben von Mai 1909 bis Dezember 1979. Ein Teil davon (68 Schreiben) von Jänner 1918 bis Jänner 1956 betrifft die literarischen Tätigkeiten von Therese L. (Korrespondenzen mit Verlagen, Zeitschriften u.ä.). Die Korrespondenzen betreffend ihre Gesangsauftritte liegen im Umfang von 66 von August 1920 bis Jänner 1932 verfassten Schreiben vor. Ihre Musikerinnenkarriere wird weiters durch eine Sammlung von ca. 280 verschiedenen Dokumenten, darunter Programme, Ankündigungen und Kritiken belegt.

Den größten Anteil der Korrespondenzen im Nachlass von Therese L. macht ihr Schriftverkehr mit ihrem Ehemann Ignaz L. aus, der im Umfang von 201 Schreiben von September 1909 bis November 1947 vorliegt.

Aus der ebenfalls umfangreichen Korrespondenz mit ihrem Jugendfreund Wladimir „Wlatko“ C. (1895-1932) sind 105 (zum Großteil undatierte) Schreiben aus dem Zeitraum vom 1910 bis 1926 erhalten.

Von Erwin S. (1904-1995) sind 91 Schreiben vorhanden. Er hatte in Wien als Angestellter gearbeitet und war 1927 im Zuge seiner Heirat zum mosaischen Glauben konvertiert. 1938 konnten er und seine Familie mit Hilfe der Quäker vor dem Holocaust nach Irland flüchten. Aus den Jahren 1938 bis 1944 sind 4 Briefe erhalten, aus dem Zeitraum von Jänner 1946 bis Mai 1978 teilweise mehrseitige und teilweise maschingeschriebene Korrespondenzstücke. Erwin S. berichtete darin u.a. von seiner aktuellen Lebenssituation („Eine der groessten Schwierigkeiten des Emigranten Lebens ist, der Zwang die Wohltaten anderer in Anspruch nehmen zu muessen“ 15. Jänner 1946), gleichzeitig aber etwa auch von seinen Bemühungen, Therese L.s Tochter Mona Lisa S. in Manila zu unterstützen.

Daneben sind Briefwechsel mit verschiedenen Familienangehörigen und einer Vielzahl an Freundinnen und Freunden vorhanden.

Unter dem Titel „Meine Briefe an die Kinder“ liegt schließlich eine Sammlung von 84 (undatierten) Schriftstücken (in Kopie) vor. Ob Therese L. diese teilweise losen und größtenteils mit Schreibmaschine geschriebenen Briefe und Entwürfe tatsächlich nach Manila gesendet hat, kann nicht geklärt werden.

Die (teilweise als Kopien) übergebenen Portraitfotografien wurden zwischen den 1930er- und den 1970er-Jahren aufgenommen.

Der literarische (Teil-)Nachlass von Therese L. umfasst gut 30 (zumeist unveröffentlichte) Erzählungen sowie Gedichte, die zum Teil in verschiedenen Versionen bzw. Fassungen vorliegen. Diese literarischen Texte sind zum Teil stark autobiografisch gefärbt.

Neben eigenen autobiografischen Dokumenten befinden sich im Nachlass auch Abschriften, die Therese L. von Selbstzeugnissen anderer Personen angefertigt hat. Es sind das zum einen die von ihr 1941 abgeschriebenen zwei Reisetagebücher der Wienerin Marianne M. (1846-1941, NL 3 III), in denen diese ihre Reisen nach Griechenland und Ägypten in den Jahren 1909 bis 1911 dokumentiert hat.

Im Nachlass enthalten ist zudem ein Soldatentagebuch aus dem Ersten Weltkrieg im Umfang von 23,5 Seiten. Der Text wurde zwischen April und Juni 1919 in Thessaloniki in Griechenland geführt. Wer der Verfasser war und in welchem Zusammenhang diese Aufzeichnungen zu Therese L. gekommen sind, ist bislang ungeklärt. Eingangs erläutert er die Gründe, „am Ende vierer, oder richtiger fünfer Kriesjahre nun doch noch“ ein Tagebuch zu führen. Anschließend berichtet er auch retrospektiv aus den vergangenen Jahren und fasst Eregnisse zusammen.



Die Briefe von Dr.in Mona Lisa S. und Dr. Hans S. aus Manila nach Wien sind Teil der Bestände des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW).</p>
Anmerkung:
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